Die Hong Kong Naht
Hong Kong Naht hört sich exotisch an, nach komplizierter, fremder Technik, ist aber eine (feine) Version der Kantenversäuberung. Und kompliziert ist die Verarbeitung auch nicht, wenn man weiß, was zu beachten ist. Sie benötigt nur ein wenig Zeit.
In Zeiten, in der die Overlockmaschinen Einzug in zahllose Nähzimmer gehalten hat, ist die Versäuberung von Kanten einfach und bei vielen gilt dies mittlerweile als gute Verarbeitung. Tatsächlich kommt die Overlockmaschine aus der Industrie, so dass diese Art von Kantenversäuberung einfach nur schnell und billig ist – denn dort ist Zeit nun mal vor allem Geld. Ich möchte niemanden die Overlockmaschine madig machen, sondern nur eine zu Unrecht etwas vernachlässigte Verarbeitungsmethode heraus- und vorstellen.
Anwendungsbereiche der Hong Kong Naht und passendes Material
Da es sich bei der Kong Kong Naht um eine Kantenveräuberungstechnik handelt, liegt es natürlich auf der Hand, dass damit die Kanten der Nahtzugaben gemeint sind.
Unabhängig von der Sichtbarkeit kann die Hong Kong Einfassung bei locker gewebten Stoffen, die stark zum Fransen neigen, eine bessere Sicherung der Kanten sein, als die Overlocknaht.
Bei der Hong Kong Naht wird die Kante mit einem Schrägband eingefasst. Entgegen der Anweisungen zahlreicher Videos und Blogartikel, die sich so im Internet finden, empfehle ich keine gekauften Schrägbänder, egal ob aus Baumwolle oder Satin. Bitte, bitte nicht, sie sind meist zu dick!
Diese Kantenversäuberung ist nicht unbedingt ein Selbstzweck – sie soll versäubern und gefällig für das Auge sein, so man sie sieht. Aber eines soll sie nicht: von außen sichtbar sein oder auftragen. Die Wahl des richtigen Materials für das Schrägband richtet sich also nach der Dicke und der Eigenschaft des Oberstoffes.
Entsprechend des Bildes ist meine erste Empfehlung für das Schrägband Futterstoff. Es geht auch ein sehr feiner Hemden- oder Blusenstoff und wenn es ganz fein werden soll Seidenorganza. Die ist übrigens weitaus besser zu verarbeiten, als die günstigere Polyester-Schwester. Aber das nur, wenn’s wirklich ganz schick werden soll. Chiffon ginge auch, aber das ist nur etwas für echte Feinmotoriker mit unendlicher Geduld.
Das Material des Schrägstreifen sollte unbedingt, sofern das Kleidungsstück später gewaschen werden soll, zu der Waschtemperatur passen und vorher dementsprechend vorbereitet sein. (Vorwaschen, Dämpfen o.ä.)
Wie man selbst Schrägband zuschneidet, ist zahlreich und meist zutreffend im Netz zu finden und muss an dieser Stelle nicht noch extra erklärt werden. Die Breite des Bandes sollte zwischen 3 und 4 Zentimetern liegen.
Wie näht man eine Hong Kong Naht?
Entgegen der schon oben genannter Videos und Artikel bevorzuge ich es, die Hong Kong Nähte vor dem Zusammennähen der Teile zu fertigen. Bei korrektem Zuschnitt hat man einfach weniger Gefummel, bzw. nicht soviel Stoff unter der Maschine zu bewegen. Die Nahtzugaben sollten mindestens 1 Zentimeter betragen, besser sind 1,5 Zentimeter.
Der Schrägstreifen wird rechts auf rechts an die Kante des Oberstoffes gelegt. Für diejenigen, die sich noch unsicher beim Nähen fühlen, können den Schrägstreifen auch feststecken. Dabei sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass der Streifen nicht verzogen oder gedehnt wird – einfach glatt und locker festpinnen.
Das Bügelstück wird umgedreht und das Schrägband um die Nahtzugabe gelegt und zum Stoff hin glattgebügelt. Es gilt das zuvor Gesagte: rechter Winkel, kein Ziehen, kein Dehnen. Wer möchte, kann sich das Schrägband wieder stecken, muss es aber nicht, weil durch das Bügeln ein recht haltbarer Falz entstanden ist.
Eine saubere Kante mit der Hong Kong Naht
Hier noch eine kleine Erweiterung für den Fall, dass die Hong Kong Naht bis zum Rand des Oberstoffes reichen und entsprechend sauber aussehen soll.
Von rechts wird nun der Falz festgesteppt und die Kante am Anfang (oder am Ende, je nach dem) mitgefasst. Leider habe ich es beim besten Willen nicht hinbekommen, die Kante mit der Kamera scharf zu fotografieren – die hat sich immer wieder auf das Muster fokussiert. Das bitte ich an dieser Stelle zu entschuldigen und hoffe, dass es trotzdem noch verständlich ist.
Nach diesem kleinen Exkurs komme ich wieder auf unsere eingefassten Teile zurück.
Die Tücken der Hong Kong Naht
Ich möchte gerne noch mal einen kleinen Schlenker machen, um zu zeigen, weshalb ich so ausdrücklich auf das richtige Annähen und Bügeln hinweise. Die Kanten werden mit Schrägband eingefasst. Das ist durch seinen 45°-Schnitt natürlich besonders dehnbar, was ja bei Rundung durchaus sinnvoll und erwünscht ist. Die Dehnungsfähigkeit hat aber wiederum den Nachteil, dass sich das Schrägband in sich verziehen kann.
Also nehmt euch ruhig die Zeit für eine sorgfältige Verarbeitung, damit aus eurem Kleidungsstück ein Kunstwerk wird, an dem ihr hoffentlich auch lange Freude haben werdet.
Zuschnitt von Karostoffen
Karo liegt wieder im Trend. Sagen jedenfalls die Défilés de mode für dieses Jahr. Das ist doch mal ein Grund, sich ein kariert-modisches Teil zu nähen.
Für den Zuschnitt ist das Karomuster allerdings eine besondere Herausforderung und ein wenig aufwändiger als bei einfarbigen Stoffen. Um korrekt zuzuschneiden, braucht es ein wenig Verständnis von Mustern, die ich kurz voran schicken möchte.
Der Rapport
… mehrfarbigen Karos wie die schottischen Tartans. Allen gemein ist ein Musterabschnitt, der Rapport, der nach oben, nach unten und zur Seite wiederholt wird. Manchmal ist er regelmäßig, manchmal nicht. Dies zu ermitteln ist wichtig für die Auflage der Schnittteile und um einen gelungenen Übergang von einem Teil zum nächsten zu erzielen.
Noch deutlicher wird es mit einer Grafik, dass dieser Rapport unregelmäßig ist: Der Rapport ist oben links abgesetzt und man sieht über dem grünen Block drei dunkle Streifen und unter dem Grün nur einen dunklen Streifen. Das heißt, ein Schnittteil kann nicht auf den Kopf aufgelegt werden, sonst wird der gleichmäßige Musterverlauf gestört.
Damit kommen wir zur zweiten Besonderheit beim Zuschnitt von Musterstoffen. Wenn man mit seinem Schnitt dem Musterverlauf folgen möchte, benötigt man mehr Stoff. Eine Faustregel ist hier, dass es zwischen 2-3 Rapporten mehr sein sollte, als an Stoffmenge angegeben oder errechnet wurde.
Der Schnitt
In der Regel erstellt oder kauft man einen Schnitt, der nur über die Hälfte des Umfangs geht – von der vorderen Mitte zur hinteren Mitte. In der Regel liegt der Stoff auch doppelt, so dass sich die spiegelgleiche andere Hälfte automatisch beim Zuschnitt ergibt. Soweit die Regel. Aber keine Regel ohne Ausnahme.
Für Karostoffe (und auch andere Musterstoffe) sollte der Stoff einfach liegen, also auseinander geklappt sein. Da braucht man nicht nur deutlich mehr Platz, sondern auch den kompletten Satz an Schnittteilen. Das heisst: alle Schnittteile müssen gespiegelt kopiert werden. Alle Schnittteile sollten sämtliche Passzeichen, einen eingezeichneten Fadenlauf und am besten noch eine Taillenlinie enthalten. Noch schöner wäre eine Brustlinie, die sind aber bei Kaufschnitten selten eingezeichnet. Die vordere Mitte sollte auch gekennzeichnet sein.
TIPP: Ich habe im Netz durchgängig gelesen, dass kleine Karomuster wie Vichykaro auch mit doppelt liegenden Stoffen zugeschnitten werden können. Aus eigener Erfahrung weiss ich aber, dass die Streifen selten exakt gerade verlaufen, wenn die Webkanten aufeinander liegen. Man kann jetzt natürlich hingehen und mühsam mit Stecknadeln die Karoreihen aufeinander stecken. Bis man das durch hat, kann man ebenso auch den Schnitt kopieren. Auf der sicheren Seite ist man damit allemal, weil man so alles im Blick hat.
Schnittauflage
Der Stoff ist gebügelt und glatt ausgebreitet. Als erstes suche ich mir eine attraktive vordere Mitte im Karomuster aus.
Die vordere Mitte sollte symmetrisch in einer Karoreihe liegen. Dort legt man die vordere Mitte an, nicht die vordere Kante. Meist ist noch ein Übertritt für Knöpfe vorhanden, die aber später übereinander liegen. Das Vorderteil ist normalerweise noch recht einfach, entscheidet aber über die Wirkung des Musters. Es wird empfohlen auf Höhe der Brust keinen besonders auffälligen Streifen zu wählen, weil der Blick später von dieser Auffälligkeit angezogen wird, und je größer die Brust, umso mehr wird sie zum Hingucker.
Ich lasse das jetzt mal als Faustregel stehen, halte es aber nicht unbedingt für zwingend. Es kommt halt auf das Muster, die Brustgröße und der Farbigkeit des Stoffes an. Jedoch sollte man die Regel kennen, bevor man sie bricht.
Gut, die vordere Mitte hätten wir schon mal, jetzt müssen noch die markanten horizontalen Linien markiert werden. Hier ist es recht einfach: die hellgrünen Streifen sind ziemlich dominant – einen davon zu markieren reicht völlig aus. Die Position des grünen Streifens wird auf das andere Vorderteil übertragen und die entsprechende Lage auf dem Stoff ausgesucht. Bitte denkt daran, dass die Teile gespiegelt sind, der Musterverlauf muss demnach spiegelgleich sein!
Das Auflegen der Schnittteile auf Musterstoffe verläuft in der Reihenfolge, wie die Teile später aufeinander folgen. Sie müssen dem Musterverlauf entsprechen. Demnach wird nun das vordere Seitenteil mit dem Fadenlauf am Stoff ausgerichtet und bis an das Vorderteil herangeschoben. Die äußeren Kanten müssen aneinander stoßen, die Taillenlinie übereinstimmen.
Hier noch der weitere Ablauf des Auflegens in ein paar Bildern. Das Prinzip sollte soweit klar sein und so langsam ist zu erahnen, warum man bei großen Mustern deutlich mehr Stoff benötigt. Da bei jedem Schnittteil nur ein bestimmter Musterabschnitt in Frage kommt, müssen die Teile entsprechend auf dem Stoff verschoben werden.
Bei den Grafiken kommt die Aufteilung soweit ganz gut hin – die Realität sieht ein wenig anders aus, und zu dem Zeitpunkt war ich mit dem Verschieben der Schnittteile noch nicht fertig. Es ist ein bisschen wie eine Mischung von Puzzeln und Tetris – je mehr Teile es werden, umso mehr muss hin und her geschoben werden.
Der Armansatz bei Karomustern
Der Ärmel sollte natürlich so zugeschnitten sein, dass er in seiner Länge dem Muster des Oberteils entspricht. Hier sind die Passmarken für den Armeinsatz besonders wichtig.
Noch ein kleiner Tipp zu Nähen von Karostoffen
An sich ist das Nähen von Karostoffen nicht anders als bei anderen Stoffen, jedoch sollte man beim Stecken der Einzelteile unbedingt darauf achten, dass die Nahtlinien aufeinander passen, nicht die Kanten der Nahtzugaben. Das heißt, an den Nahtlinien treffen die horizontalen Streifen des Karos genau aneinander. Im Fall des korrekten Zuschnitts. Aber das sollte ja nun kein Problem mehr sein.
Das Couture-Knopfloch
So ein handgesticktes Knopfloch sieht von vorne sehr elegant aus. Die Rückansicht ist meist weniger schön. Damit kann man entweder leben oder man macht sich die Mühe, die Rückseite zu verschönern.
Das hier beschriebene Knopfloch kommt allerdings nicht so häufig zur Anwendung und eignet sich für Jacken, die vorne keinen Beleg haben, sondern bei denen das Futter bis fast an den vorderen Bruch geht.
Knopfloch sticken
Das Sticken des Knopflochs gehe ich mal in aller Schnelle durch, davon ausgehend, dass das Vorgehen soweit bekannt ist.
Futterpaspel
Für die Paspel schneide ich mir aus Futter Streifen zu: Die Länge des Knopfloches plus beidseitig 1 – 1,5 cm Nahtzugabe und in der Höhe 3-4 cm, die in der Mitte gefaltet werden. Die Höhe beträgt nach dem Umbügeln zwischen 1,5 und 2 cm. Insgesamt ist die Größe der Paspel vom Knopfloch abhängig und sollte entsprechend zugeschnitten werden.
Die Couture-Kür am Knopfloch
Das waren bis dahin die Vorbereitungen. Das Futter der Jacke kann nun, wie gewohnt, an die vordere Kante genäht werden. Bevor es nun wieder an die Knopflöcher geht, sollte alles noch mal gut gebügelt werden. Um jedes einzelne Knopfloch fixiere ich mit Heftgarn das Futter und den Oberstoff miteinander.
Auf der Rückseite sind die Nadelspitzen zu sehen und die Durchstichstellen werden mit einem Kreidestift markiert und die Punkte miteinander verbunden. Zur Sicherheit sollte der Abstand zur Kante und die Länge des Knopflochs noch mal nachgemessen werden. Am besten auch der Abstand der Knopflöcher untereinander, auf der Vorder- und der Rückseite sollten alle Maße gleich sein.
Nun folgt der Teil für die hartgesottenen Feinmotoriker:
Zu Beginn der Naht vernähe ich den Faden unter dem Futter, außerhalb des sichtbaren Bereiches und beginne an der äußersten Spitze. Das Futter versuche ich mit einer Stecknadel soweit wie möglich umzuschlagen und nähe die Kante im Millimeterabstand in kleinstmöglichen Stichen an die darunterliegende Paspel. Zugegeben, es ist eine absolute Fummelsarbeit, wo immer wieder die Kante mit einer Nadel nach innen geschoben werden muss, bevor man weiter nähen kann. Es ist also Geduld, Geduld und nochmals Geduld angesagt.
Chanel-Jacke Teil 2
Im ersten Teil ging es um die Vorbereitung, Zuschnitt und den Innenaufbau der Jacke. Bis jetzt liegen also noch immer die Einzelteile da, die nun endlich zu einer Jacke zusammenfinden sollen.
Nähte schließen
Nachdem nun alle Vorarbeiten erledigt sind, können die die Außennähte geschlossen werden. Aus praktischen Gründen klappe ich die Futterkante nach innen und stecke sie fest, so dass sie mir nicht in die Nähte rutschen können. Die geschlossenen Nähte werden auseinander gebügelt – am besten auf einem Ärmelbrett – und die Nahtzugaben danach etwas zurück geschnitten.
Belege
Und da ich schon mal dabei bin, bekommt auch der untere Saum einen Beleg. Dies ist jetzt wieder eine persönliche Entscheidung, da ich eine integrierte Fransenkante haben wollte. Wer lieber eine Bordüre anbringen möchte, der hat sich (hoffentlich) vorher eine Saumbreite zugeschnitten. Dann wird der Saum natürlich nur einfach umgeschlagen.
Futternähte schließen
Soooo, nun kommt endlich das Futter dran. Ich lege mir die Jacke über ein Ärmelbrett damit das Futter beidseitig rund fallen kann und lege die Nahtzugaben des Futters um. Zwischen der letzten Quiltnaht und den Kanten sollte etwas Luft sein, so ca. 2-5 mm, so dass das Futter nicht zu stramm anliegt. Meistens kann man mit ein wenig Fingerdruck auf die umgeschlagenen Kante ein sichtbaren Kniff erzeugen, der es möglich macht beim Zurückschlagen der Nahtzugaben diese ein wenig zurück zu schneiden, falls es nötig sein sollte. Da hat man dann eine Orientierung für die Nahtlinie.
An der vorderen Kante wird das Futter ebenfalls mit ein bisschen Dehnungsweite angeheftet – die Futterkante liegt ein wenig hinter dem Bruch.
Die so gehefteten Futterkanten können nun mit der Hand aneinander genäht werden. Für eine glatte und saubere Naht bietet sich der Matratzenstich an, der keinen sichtbaren Wulst hinterlässt.
Die Ärmel
Wie bei einem klassischen Ärmel bleibt die innere Naht vorerst offen, damit der Ärmelschlitz und das Futter gearbeitet werden können. Das weitere Vorgehen entspricht dem des Oberteils: Die innere Naht am Oberstoff schließen und ausbügeln, den Ärmel nach innen drehen und über ein Ärmelbrett ziehen, die Futternaht mit Dehnungsweite fixieren und nähen. Zum Abschluss wird das Futter gegen den Saum genäht. Die Ärmel können nun eingesetzt werden.
Hier mal ein kurzer Zwischenstand nach dem Einsetzen der Ärmel. Den Ärmelkopf habe ich mit einem eigenen Ärmelfisch ausgeformt. Wer gerne Schulterpolster einsetzen möchte, sollte das vor dem Schließen des Schulter- und Ärmelfutters tun. Da ich sehr gerade Schultern habe, habe ich lediglich ein Stück Domette-Vlies im Schulterbereich pikiert.
Taschen aufsetzen
Ohne Taschen geht es bei mir nicht. Zuerst habe ich die Taschenbeutel mit dem Futter verstürzt und dann an der angezogenen Jacke die Position bestimmt. Diese wird mit Heftgarn markiert, die Taschen aufgelegt, ebenfalls mit Heftgarn fixiert und dann mit feinen Stichen per Hand angenäht.
Nun müssen noch die Knöpfe positioniert und angenäht werden.
Das Goldkettchen
Die Jacke wird noch mal schön aufgebügelt und zum krönenden Abschluss kommt ein Kettchen an den Saum. Das Gewicht sorgt für einen glatten Sitz des Saumes, sollte aber nicht gerade eine Ankerkette sein. Mein örtlicher Baumarkt bot zahlreiche Ketten verschiedener Art und Größe an; das Gewicht richtet sich letztlich an der Schwere des Oberstoffes, je schwerer der Stoff umso schwerer die Kette, das muss man dann spontan vor Ort entscheiden. Und sie muss auch nicht unbedingt golden sein.
Mit dem Annähen der Kette habe ich erst ca. 6 cm hinter der vorderen Kante begonnen, die durch die Einlage, Knöpfe usw. vorne stabil genug ist. Der Faden liegt immer kurz vor der Kreuzung der Kettenglieder, dadurch bleibt die Kette schön glatt. Ich habe erst die eine Seite der Kette genäht und dann die andere, also einmal den Saum entlang hin und wieder zurück.
Fertig ist das gute Stück! Durch das eingenähte Futter bekommt die Jacke nicht nur einen wunderbaren Griff, man kann auch leicht rein und raus schlüpfen und sie trägt sich sehr angenehm.
Wer die Jacke mit Bordüren verzieren möchte, kann dies zum Abschluss noch tun. Hier gibt es unendlich viele Möglichkeiten, eine Bildersuche im Internet kann einem da unzählige Anregungen geben.
Zurück zur Chanel-Jacke Teil 1
Chanel-Jacke Teil 1
Diesmal habe ich etwas ganz Feines: Eine Jacke nach Chanel-Art. Die Jacke – Teil des berühmten Kostüms von Coco Chanel – ist in seinem Ursprung eher leicht tailliert, die Ärmel hatten eine Teilungsnaht von der Schulter bis zum Saum und waren schmal geschnitten. Bordüren an den Kanten, Taschen in Brust- und Hüfthöhe sowie das Kettchen am Jackensaum gehörten selbstverständlich zu dem Klassiker dazu. Seit Karl Lagerfeld die Leitung der Haute Couture des Hauses Chanel übernommen hatte, erfuhr diese Jacke jedoch zahlreiche Variationen.
Entscheidend an dieser Art von Jacke ist seine Verarbeitung. Insofern kann ich schon mal vorausschicken, dass man ein Freund des Handnähens sein sollte, wenn man sich an ein solches Projekt wagen möchte. Das Futter wird mit dem Oberstoff verbunden, so dass ein unvergleichliches, geradezu luxuriöses Tragegefühle entsteht. Die Ausgestaltung der Jacke muss sich nicht sklavisch an das klassische Vorbild halten, da können persönliche Vorlieben reinspielen. Grundvoraussetzung ist ein wirklich(!) passender Schnitt, den man unbedingt vorher mit einem einfachen Stoff zur Probe nähen sollte – erst recht, wenn die Jacke später aus hochwertigen Materialien gefertigt werden soll.
Stoffempfehlung: Für den Oberstoff bspw. melierten Wolltweet oder Bouclé. Für das Futter kann es entweder die günstige Variante mit einfachem Futterstoff sein oder, deutlich teurer und edler, Seidenfutter, wie Pongé-Seide.
Meine Interpretation dieser Jacke ist eher schlicht gehalten, so dass in der folgenden Beschreibung der Verarbeitung nicht alle Elemente der Fertigung einer Chanel-Jacke aufgeführt werden.
Zuschnitt
Mein Stoff ist eine Woll-Polyester-Mischung, wobei das Polyester hauptsächlich aus Chenille-Fäden besteht. Er ist grob gewebt und verzieht sich ziemlich leicht. Zudem stellte sich heraus, dass Kreide so gar nicht gut auf dem Stoff halten will. Deshalb habe ich den Stoff einfach ausliegen und muss die Kanten mit Heftgarn im Reihstich markieren. Sollte der Stoff ein Karo haben, so muss er sowieso einfach liegen und die Karos sollten an den Nahtlinien übereinstimmen.
Nach dem Markieren wird zugeschnitten, wobei ich sehr großzügige Nahtzugaben stehen lasse: An den Nähten mindestens 3 cm, an der Schulter 5 cm und an den Säumen füge ich auch noch mal ca. 2 cm hinzu. Das muss natürlich schon beim Auslegen der Schnittteile berücksichtigt werden, sonst wird’s ein bisschen knapp.
Mit dem Futter wird genauso verfahren, nur hier kann der Stoff natürlich doppelt liegen und sehr wahrscheinlich auch mit Kreide markiert werden. Das Futter sollte ebenfalls mit sämtlichen Passzeichen versehen sein.
TIPP: Hebt euch die Zuschnittreste auf (außer natürlich die Super-Winzteile), ihr werdet sie für diverse Nähproben noch brauchen.
Einlagen
Zurück zu dem Oberstoff. Dort stabilisiere ich die Armausschnitte und die hinteren und vorderen Halsausschnitte mit einem aufbügelbaren Formband mit Kettstich. Die Knopflöcher werden mit einer passenden Bügeleinlage verstärkt. Hier kommen dann zum ersten Mal die Zuschnittreste zum Einsatz: Am besten man testet einige in Frage kommenden Einlagen aus und prüft die Dicke und das Verhalten des Stoffes.
Futter quilten
Nun wird das Futter von hinten auf den Oberstoff gesteckt und mit groben Pikierstichen fixiert. Dabei habe ich mir währenddessen die Teile über den Oberschenkel gelegt, so dass das Futter durch die Rundung Mehrweite in der Höhe und Breite erhält. Das muss unbedingt sein, denn das Futter braucht die Mehrweite, um sich nach dem Quilten immer noch den Dehnungen des Oberstoffes anpassen zu können.
Die Quiltnähte können waagerecht, senkrecht und/oder rechteckig sein, das richtet sich ein wenig nach dem Webmuster des Oberstoffes. Die Abstände zwischen den Nähten sollten auch nicht zu eng sein, 3-4 cm sind ein grobes Maß. Desweiteren müssen zu den Nahtkanten (nicht die Kanten der Nahtzugaben!) Abstände eingehalten werden, um später die Nähte noch komfortabel schließen zu können. An den Schultern und zum Saumbruch ca. 5 cm, an den Seitennähten sind ca. 3 cm ausreichend. Bei den Ärmeln sollte es genauso eingezeichnet werden. Die Nahtlinien zum Quilten werden unter diesen Aspekten markiert.
Nun sucht man sich aus den Zuschnittresten, Oberstoff und Futter, etwas längere Teile aus und pikiert sie miteinander wie bei den Schnittteilen. Mit diesem Stück müsst ihr den passenden Füßchendruck ermitteln. Genäht wird auf der Oberstoffseite und das Füßchen sollte den Oberstoff nicht vor sich her schieben, sonst staut sich der Oberstoff zunehmend. Wenn alle Einstellungen passend sind, kann’s mit dem Quilten losgehen.
Die Nähten werden am Anfang und am Ende nicht verriegelt und die Fäden jeweils etwas länger stehen gelassen. Nach dem Nähen klappt man den Oberstoff und das Futter auseinander, zieht die beiden Fadenenden nach innen zwischen die beiden Stofflagen und verknotet sie dort. Die Fadenenden werden anschließend eingekürzt.
Nach dem Quilten werden alle Teile sorgfältig abgedämpft. Nun müssen die Papierschnitte nochmals aufgelegt werden, um die markierten Nahtlinien zu überprüfen. Durch das Quilten, so ordentlich es auch genäht sein mag, verzieht sich der Stoff immer noch ein wenig, was jetzt korrigiert werden muss. Deshalb waren die Nahtzugaben im Zuschnitt auch so großzügig. Eventuell verschiebt sich die eine oder andere Nahtkante, dabei sind die Passmarken zu den angrenzenden Schnittteilen zu berücksichtigen.
Säume und Kanten stabilisieren
Die Säume an der Jacke und an den Ärmeln werden mit Organza stabilisiert. Die Vorgehensweise habe ich in einem früheren Artikel näher beschrieben und kann dort nachgelesen werden.
Die vordere Kante bekommt zur Verstärkung ein gefaltetes Baumwollschrägband. Auch das habe ich schon mal beschrieben: in dem Absatz “Die Kanten verstärken“.
Paspelknopflöcher
Bevor die einzelnen Teile zusammengenäht werden, arbeite ich die Paspelknopflöcher ein. Das geht so einfacher, als wenn die ganze Jacke dranhängt. Die Jacke muss nicht zwingend Paspelknopflöcher haben, da entscheiden der generelle Stil der Jacke und die eigenen Vorlieben.
Auch in Bezug auf die Knopflöcher sollte an Zuschnittresten probegenäht werden, um sich spätere Überraschungen an der Jacke zu ersparen. Wenn mal wo reingeschnitten ist, ist es schwer wieder zu beheben.
Weiter geht’s zum Teil 2 der Chanel-Jacke.
Teileinsatz bei einem angeschnittenen Ärmel
Im Zuge eines Probeteils stellte sich mir doch tatsächlich ein Nähproblem. Das kommt eher selten vor, allerdings auch die Situation, in der man vor diesem Problem steht.
Ich hatte ein Oberteil mit angeschnittenem Ärmel entworfen, der mit einer Wiener Naht kombiniert ist. Das seitliche Vorderteil verläuft nach oben sehr spitz zu, was das Einsetzen erheblich erschwert. Zugegeben, eine seltene Schnittvariante, wie z.B. der Keileinsatz am unteren Ärmel.
Stabilisierung der Spitze
Die schmale Spitze ist gewissen Belastungen ausgesetzt und würde ohne eine Stabilisierung dem nicht standhalten und aufreißen. Damit das nicht passiert, wird vor dem Einsetzen des Seitenteils die Spitze mit einem leichten, aber dichten Stoff hinterlegt. Um die Dehnbarkeit nicht einzuschränken, sollte das Stoffstück im 45°-Winkel (echter Schrägschnitt) zugeschnitten werden.
TIPP: Nehmt für diese Naht ein kontrastierendes Garn, das sich von der Farbe des Stoffes absetzt. Es wird nachher beim Einsetzen des Seitenteils einfacher.
Einsatz des Seitenteils
Nun kommt wieder die Nähmaschine an die Reihe. Die Lage der Nähte ist in der Grafik deutlich zu sehen: Die erste Naht mit der Einlage (rot) liegt innen, die zweite Naht (grün) mit dem Seitenteil knapp außerhalb daneben. Deswegen mein vorheriger Tipp, man sieht durch die andersfarbige Naht besser wo man entlang nähen muss. Da sie aber nachher innen liegt, ist das Garn von außen nicht mehr zu sehen.
Diese Spitzen sind nun bei Belastung ausreichend stabil. Im Prinzip eignet sich diese Methode des Hinterlegens für jede Art von Spitzen und Ecken, deren Nahtzugaben wegen einer Schräge zu knapp werden.
Ärmelschlitz - Variation aus einem Teil
Viele Wege führen nach Rom, heißt es. Ähnlich verhält es sich mit Verarbeitungstechniken. Die hier übliche Methode der Ärmelschlitzverarbeitung an einem Herrenhemd hatte ich bereits in einem früheren Artikel vorgestellt. Vor einiger Zeit ist mir eine Ein-Teil-Variante der Schlitzverarbeitung begegnet, die ich mal ausprobieren und hier vorstellen möchte.
Am Anfang steht auch hier eine Schablone für die Schlitzabdeckung. Diese Schablone beinhaltet sowohl den schmalen Einfassstreifen als auch den Übertritt. An Ende des Artikels habe ich eine 1:1 Schablone zum Ausdrucken bereit gestellt, ihr könnt euch aber anhand des Bildes eine eigene Schablone erstellen. Die Nahtzugaben betragen rundherum 0,75 cm, an der unteren Kante wählt ihr die Nahtzugabe, die ihr an der Ärmelunterkante vorseht. In meinem Fall beträgt die Nahtzugabe dort einen Zentimeter.
“Zwei-Teil” vs. “Ein-Teil”
Letztlich tun sich die zwei Varianten wenig. Das Ergebnis ist gleich, eine Zeitersparnis habe ich nicht feststellen können. So bleibt es eine Frage der Gewohnheit und/oder welcher Methode man den Vorzug gibt. Bei beiden Varianten ist genaues Markieren und Arbeiten für ein sauberes Ergebnis notwendig, und, wie immer: bügeln, bügeln, bügeln.
Hier noch die versprochene Schablone zum Ausdrucken:
Schablone Ärmelschlitz (83 kb)
Twisted Shirt – Eine Theorie mit Schnitt
Vor einiger Zeit begegnete mir beim Surfen im Netz ein Shirt, das den Tüftler in mir herausforderte. Irgendein Designer hat’s mal gemacht, leider weiß ich nicht welcher. Aber egal. Der Clou an dem Shirt ist, dass es vorne gedreht ist und keine Schulternähte hat.
Das sah in etwa so aus. Nun ist so ein Twist nicht unbedingt geheimes Elitewissen, mit separaten Vorder- und Rückenteil auch nicht wirklich schwierig und vor allem mit Sicherheit stoffsparender.
Der Reiz bestand eher darin, die richtige Anordnung der Schnittteile zu finden, um die Schulternaht zu vermeiden.
Dies ist also eher eine theoretische Überlegung darüber, wie der Schnitt zu dem Shirt aussehen könnte und wie man dort hin kommt.
Den Schnitt entwickeln
Das modifizierte Vorderteil wird nun gespiegelt und an der oberen Kante des Ausschnittes aneinander gelegt (1). Eine Mehrweite für den Twist wird als Abstand zwischen den Vorderteilen gelassen, das sind die roten Linien. Ich würde einen Abstand von ungefähr 2 cm wählen, der sich aber nach Brustumfang sicher verändern kann. Die grünen Linien (2) sind die Untergrenze des Twists.
Prototyp nähen
Das war soweit der theoretische Teil. Die „graue“ Theorie muss sich erstmal in der Praxis bewähren. Deshalb nähe ich zur Überprüfung ein Probeteil.
Wie man an den Fadenläufen sieht, kann der Schnitt sowohl an den Vorderteilen ausgerichtet werden, als auch – im rechten Winkel, an den Rückenteilen. Für so ein Shirt wird also ein Jersey benötigt, der sich beidseitig dehnt. Idealerweise ist die Dehnung in beide Richtungen gleich groß. Der große Nachteil ist allerdings, dass man ungemein viel Stoff benötigt.
Um diese Menge Stoff zu sparen, entwerfe ich den Schnitt in halber Größe, d.h. ich halbiere alle Maße und konstruiere mit denen.
Eines der Vorderteile wird umgeklappt und trifft auf die vordere Mitte des gegenüber liegenden Vorderteils. Die vorderen Kanten lege ich gegeneinander und steppe die langen Kanten zusammen. Vor dem Twist macht die Kante eine kleine Kurve (die Verbindungslinie zum hinteren Ausschnitt). Diese Kurve nähe ich ein kleines Stück zusammen. Das ist die Mehrweite, die ich beim Spiegeln der Vorderteile an Abstand gelassen hatte.
Da es sich ja um eine halbe Größe handelt, kann ich das Stück natürlich nicht anprobieren. In der Hinsicht hoffe ich ja möglichst bald eine entsprechende Schneiderpuppe erstehen zu können. Von der Ansicht her sieht es aber ziemlich richtig aus, also scheint die theoretische Überlegung soweit zu stimmen.
So reizvoll, wie die Sache ist: sollte ich ein Shirt mit Twist nähen wollen, so würde ich aus praktischen Erwägungen heraus die ganz normale Variante mit separaten Vorder- und Rückenteil wählen. Sie ist als Schnitt einfacher zu entwickeln, benötigt weniger Stoff – vor allem keinen Bi-Stretch und die Korrekturmaßnahmen für unterschiedliche Figuren sind auch leichter durchzuführen.
Aber man kann ja mal zwischendurch ein bisschen spielen.
Das lange Upcyclen
Manche Projekte fordern nicht nur Geduld, sondern auch ein gerütteltes Maß an Hartnäckigkeit. Das passiert nicht so oft, aber wenn, dann ist es ein Weg voller Blut, Schweiß und Tränen. So erfahren an meinem Lieblingskleid, dem ich einen neuen Look verleihen wollte.
Das war die Ausgangslage: Ein ärmelloses Kleid zum Überziehen, mit seitlichem Reißverschluss, Oberteil und Saum aus einem Dekostoff mit Chenillefäden, die an einigen Stellen bereits die Freiheit suchten. Das Rockteil ist aus einem braun-karierten Wollstoff mit leichtem Elastananteil. Den wollte ich erhalten. Die Passform des Oberteils ist eher so lala und schon seit längerem ein persönliches Ärgernis. Zudem ist das Kleid ungefüttert und krabbelte immer wieder nach oben.
Nun kann es ja nicht so schwierig sein, ein Oberteil zu ersetzen. Meinte ich. Ein passender Schnitt war mit meinem aktuellen Grundschnitt schnell erstellt und an die Ansatzlinie des Rockteils angepasst. Es fehlte halt nur ein passender Stoff. In meinen Stoffvorräten war nichts zu finden. Auch diverse Stoffläden hatten, als wäre es verabredet, nichts Passendes im Angebot.
Dann hatte ich eine Idee, wie das Oberteil mit einem schlichten Stoff gestaltet werden könnte.
Modell 1
Eine Flechtarbeit mit Sternchen. Da einfach zu einfach ist, wollte ich herausfinden, ob man ohne Seitennaht um den Oberkörper herum flechten kann. Man kann. Und es ist eine Sisysphosarbeit. Allerdings ist, durch die vielen Streifen, ein nicht unerhebliches Gewicht entstanden, für das das Rockteil zu leicht war. Nun habe ich zwar ein geflochtenes Oberteil, aber kein passendes Rockteil. Und Frust obendrauf.
Modell 2
Nächster Versuch, neue Idee. Der Stoff ist jetzt farblich nicht die allererste Wahl, könnte aber durch die Raffung im Vorderteil diese Schwäche ausgleichen. Grundsätzlich ist dieser Schnitt nicht schlecht, aber der Stoff offenbart weitere Schwächen, vor allem die, dass der Bias-Cut nicht so ausfällt, wie er sollte. Das wäre dann die nächste Portion Frust.
Modell 3
Bevor ich mir mit weiteren Versuchen die Laune verderbe und für die Tonne produziere, versuche ich es auf dem systematischen Weg. Ich sammle meine Ideen und skizziere sie. Da sich nach wie vor kein Stoff finden lässt, der einen der Brauntöne aus dem Rock aufgreift, bin ich mittlerweile bei einer neutralen Farbe gelandet. Und bei einem feinem Wollstoff. Da dieser nicht unbedingt der Hingucker ist, werde ich das mit der Form wieder wett machen.
Bevor nun das Oberteil an den Rock kommt, füge ich den Saum an. Die beidseitig geschwungene Saumkante besteht ebenfalls aus einzelnen Schnittteilen, ebenso wie die Belege. Die unteren Kanten fixiere ich mit Heftgarn, um sie gut ausbügeln zu können. Die Rundungen der oberen Kante werden fein mit der Hand an den Rock genäht. Das ist auch der Grund, warum ich den Saum vor dem Oberteil fertig gestellt habe: Bei der Länge des Saumes komme ich sowohl von oben als auch von unten besser an die Naht ran.
Nachdem das Oberteil am Rock hängt, kann ich die Heftfäden am Futter lösen, den Futterrock anstecken, nähen und das Futteroberteil gegen nähen. Somit ist innen auch alles hui. Nun muss noch der nahtverdeckte Reißverschluss eingenäht werden und dann folgt das Finishing.
Die Heftfäden an den Kanten hatten mich dazu inspiriert, die dunkelgrauen Flächen auf dem Karo durch eine doppelte, farblich passende Sticklinie optisch zu integrieren. An den Saum des Futterrockes füge ich einen gerafften Volant aus einem feinen, blumigen Viskosestoff an. Ein tiefer Griff in meine Stoffvorräte hat noch einen Streifen braunen Seidenchiffons ans Tageslicht gefördert. Auch er erhält einen Platz an der Saumkante.
Damenblazer Teil 6 - Das Futter
Die letzte Runde bis zum fertigen Blazer ist eingeläutet. Das Futter wird schnittgemäß zugeschnitten und zusammen genäht. Die Schulternähte bleiben offen. Für eine edle Optik in der Innenansicht sorgt ein Satinschrägband, das, zur Hälfte umgebügelt, vom vorderen Saum über den hinteren Halsausschnitt bis zum gegenüberliegenden vorderen Saum an den Beleg genäht wird. An dieses Satinband wird das Futter angenäht.
Blazerfutter einsetzen
Zum Stecken des Futters drehe ich die Jacke nach innen, die Ärmel bleiben jedoch auf der Außenseite. Die Jacke wird auf eine Schneiderpuppe gehängt.
Mit dem Stecken beginne ich an der hinteren Mitte. Das Futter wird nahtzugabenbreit umgeschlagen und von der Mitte aus entlang des Halsausschnittes bis zur Schulter festgesteckt. Anschließend stecke ich die Teilungsnähte am Armausschnitt und der Seitennaht aufeinander. Nun wird das Futter am Rest des Armausschnitts festgesteckt. Die Vorderteile klappe ich nach vorne.
Die Nahtzugabe an der vorderen Schulter wird in das Rückenteil gelegt. Das rückwärtige Futter schlage ich passend ein und stecke es entlang der Schulternaht auf das vordere Futter.
Im optimalen Fall endet das Futter unten ungefähr mit dem Saum der Jacke, so dass das eingeschlagene Futter nicht überhängt und genügend Spielraum hat. Das Futter wird jetzt mit der Hand in einem gleichmäßigen Abstand an das Satinschrägband genäht. Es folgt die Schulternaht und zum Schluss der Saum.
Ärmelfutter annähen
Das Schönste kommt zum Schluss – das Ärmelfutter. Aus dem, immer noch außen liegenden Ärmel, ziehe ich das Ärmelfutter nach oben. Es ist nach wie vor mit einem Heftfaden im Ärmel gesichert. An der Seitennaht beginnend schlage ich das Ärmelfutter knapp um und stecke es an den Nähten, bzw. gemeinsamen Passzeichen am Armausschnitt fest. Spaßig wird die Sache an der Schulter, da die Mehrweite an der Armkugel irgendwie untergebracht werden muss. Wie man sieht, ich brauchte viele Nadeln.
Aufhänger anbringen
Ein Sakko oder Blazer sollte man natürlich möglichst nur auf einen Bügel hängen. Manchmal kann es aber sein, dass keiner vorhanden ist. Für diesen ganz furchtbaren und hoffentlich außergewöhnlichen Fall ist ein Aufhänger hilfreich.
Ein Stück Stoff – in diesem Fall der Paspelstoff, wird zu einem langen, schmalen Schlauch geschlossen und auf die gewünschte Länge, einschließlich der Nahtzugaben, gekürzt. Mit einer Ahle bohre ich je ein Loch in den Stoff. Durch die Ahle wird der Stoff nicht beschädigt, sondern nur die Fasern verdrängt. Natürlich sollte man mit der Ahle vorsichtig sein und das Loch Stück für Stück dehnen, bis das Ende des Streifens hinein passt.
Wenn beide Enden in die Löcher bugsiert sind, werden sie mit Nadeln gesichert und GUT, also wirklich gut festgenäht. Wenn die Jacke an dem Aufhänger hängt, hängt das gesamte Gewicht der Jacke daran. Es wäre zu schade, wenn er ausreißt und wohlmöglich dabei noch das Material beschädigt. Wie gesagt: besser ist es, wenn man ihn nicht braucht.
Knopflöcher und Knöpfe
Für die Jacke hatte ich Hornknöpfe ausgesucht, die zum einen das dunkle Braun aus dem Stoff aufgreifen, aber leichte Unregelmäßigkeiten in hellen Tönen haben. Die äußeren vorderen Kanten sollen nur Blindknopflöcher haben, geschlossen wird die Jacke mit dem Mittelteil.
Mein größtes Problem waren die Blindknopflöcher, da für ein schön gesticktes Auge die Vorlage fehlte. Bei einem echten Knopfloch ist das ausgestanzte Auge eine ausreichende Orientierung – ohne Loch wird es schwierig. Daher habe ich mir ein Provisorium gebastelt, um rund um das Auge zu kommen, die Ausstanzreste von einem profanen Bürolocher.
Wie man ein akkurates Augenknopfloch mit der Hand stickt, zeigt ein ausführliches Tutorial meines lieben Kollegen Sebastian Hoofs, auf das ich an dieser Stelle gerne verweisen möchte.
Nun noch die Knöpfe annähen und die Jacke nähert sich der Fertigstellung. Den Trick mit dem Streichholz, für einen ausreichenden Steg unter dem Knopf, kenne ich schon, seit ich mich erinnern kann, ich schätze mal, dass es noch aus der Grundschule ist, wo man als Mädchen noch Handarbeitsunterricht hatte.
Wie auch immer, es funktioniert. Das Streichholz wird, nachdem man einmal den Faden durch die beiden Löcher gezogen hat, zwischen Stoff und Knopf in der Mitte durchgeschoben. Danach kann ganz normal weiter festgenäht werden – der Abstand bleibt gleich. Zum Schluss wird das Streichholz rausgezogen und der entstandene Steg ein paar Mal mit Garn umwickelt und gesichert.
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