Im Zuge eines Probeteils stellte sich mir doch tatsächlich ein Nähproblem. Das kommt eher selten vor, allerdings auch die Situation, in der man vor diesem Problem steht.

Ich hatte ein Oberteil mit angeschnittenem Ärmel entworfen, der mit einer Wiener Naht kombiniert ist. Das seitliche Vorderteil verläuft nach oben sehr spitz zu, was das Einsetzen erheblich erschwert. Zugegeben, eine seltene Schnittvariante, wie z.B. der Keileinsatz am unteren Ärmel.

Stabilisierung der Spitze

Die schmale Spitze ist gewissen Belastungen ausgesetzt und würde ohne eine Stabilisierung dem nicht standhalten und aufreißen. Damit das nicht passiert, wird vor dem Einsetzen des Seitenteils die Spitze mit einem leichten, aber dichten Stoff hinterlegt. Um die Dehnbarkeit nicht einzuschränken, sollte das Stoffstück im 45°-Winkel (echter Schrägschnitt) zugeschnitten werden.

Ich habe ein Stück Organza zugeschnitten und mittig, mit ausreichendem Rand, außen auf die Einsatzspitze gesteckt.

Von innen habe ich die Nahtlinie bereits vorgezeichnet, um ihr möglichst genau folgen zu können.

Entlang dieser Linie beginne ich mit einer normalen Stichbreite. Je schmaler die Nahtzugaben werden, umso mehr setze ich die Stichbreite herunter, bis auf 1mm auf den letzten Zentimeter der Spitze. Die Spitze wird nicht spitz, sondern abgerundet genäht.

TIPP: Nehmt für diese Naht ein kontrastierendes Garn, das sich von der Farbe des Stoffes absetzt. Es wird nachher beim Einsetzen des Seitenteils einfacher.

Die umnähte Spitze wird nun mittig eingeschnitten, bis knapp vor die Nahtspitze. Bitte seid hier sehr vorsichtig – nicht in die Naht schneiden!

Die Organzaeinlage wird nun sorgfältig umgebügelt …

… nach innen gedreht und wieder gebügelt.

Von außen betrachtet ist das nun eine sauber umgelegte Spitze.

Einsatz des Seitenteils

Das Seitenteil wird passgenau von außen an die Spitze gesteckt. Dabei ist darauf zu achten, dass die Nahtzugaben an der Spitze geringer werden, jedoch nicht an dem Seitenteil, also die Nahtlinien müssen aufeinander liegen. Am einfachsten geht das mit vorherigem Einzeichnen der Linie.

Auf der Rückseite sieht man deutlich die unterschiedliche Nahtzugabenbreite.

Die beiden Teile werden nun an der Spitze geheftet. Ohne Heften geht es leider nicht, da die Seitenteilspitze so schmal ist, dass nicht von beiden Seiten gleichzeitig gesteckt werden kann. Außerdem verrutscht es so nicht. Die Nadel mit dem Heftfaden kann vorübergehend still gelegt werden.

Nachdem eine Seite geheftet ist, werden die Stecknadeln entfernt, die andere Kante gesteckt und ebenfalls geheftet. Man kann mit dem Heftfaden also um die Spitze herum fortfahren.

Nun kommt wieder die Nähmaschine an die Reihe. Die Lage der Nähte ist in der Grafik deutlich zu sehen: Die erste Naht mit der Einlage (rot) liegt innen, die zweite Naht (grün) mit dem Seitenteil knapp außerhalb daneben. Deswegen mein vorheriger Tipp, man sieht durch die andersfarbige Naht besser wo man entlang nähen muss. Da sie aber nachher innen liegt, ist das Garn von außen nicht mehr zu sehen.

Die Stichlänge ist wie bei der Organza zu wählen – zur Spitze hin wird sie immer kürzer. Es wird bis zur Spitze genäht. Die Nadel bleibt unten und das Füßchen wird angehoben. Das ganze Nähstück wird nun gedreht.

Bevor der Fuß wieder heruntergelassen wird, sollte der Stoff nach links oben glattgestrichen werden, so dass sich keine Falten bilden können. Mit zunehmender Stichlänge wird die Naht zu Ende gesteppt.

Das ist die fertige Spitze von hinten betrachtet. Die Heftfäden werden entfernt.

Die überstehende Organza kann auf Zugabenbreite zurückgeschnitten werden.

Die Spitze wird abschließend sorgfältig ausgebügelt.

Diese Spitzen sind nun bei Belastung ausreichend stabil. Im Prinzip eignet sich diese Methode des Hinterlegens für jede Art von Spitzen und Ecken, deren Nahtzugaben wegen einer Schräge zu knapp werden.