Hong Kong Naht hört sich exotisch an, nach komplizierter, fremder Technik, ist aber eine (feine) Version der Kantenversäuberung. Und kompliziert ist die Verarbeitung auch nicht, wenn man weiß, was zu beachten ist. Sie benötigt nur ein wenig Zeit.

In Zeiten, in der die Overlockmaschinen Einzug in zahllose Nähzimmer gehalten hat, ist die Versäuberung von Kanten einfach und bei vielen gilt dies mittlerweile als gute Verarbeitung. Tatsächlich kommt die Overlockmaschine aus der Industrie, so dass diese Art von Kantenversäuberung einfach nur schnell und billig ist – denn dort ist Zeit nun mal vor allem Geld. Ich möchte niemanden die Overlockmaschine madig machen, sondern nur eine zu Unrecht etwas vernachlässigte Verarbeitungsmethode heraus- und vorstellen.

Anwendungsbereiche der Hong Kong Naht und passendes Material

Da es sich bei der Kong Kong Naht um eine Kantenveräuberungstechnik handelt, liegt es natürlich auf der Hand, dass damit die Kanten der Nahtzugaben gemeint sind.

Der Aufwand Nahtzugaben einzufassen lohnt aber nur, wenn man es später auch sehen kann. Insofern ist es eine akkurate Innenverarbeitung von ungefütterten Blazern, Jacken und Mäntel.

In der Maßschneiderei ist das Einfassen der Kanten bei der Bundverarbeitung von Hosen und Röcken immer noch absolut üblich. Das kann durchaus auch mal farbenfroh und individuell sein.

Unabhängig von der Sichtbarkeit kann die Hong Kong Einfassung bei locker gewebten Stoffen, die stark zum Fransen neigen, eine bessere Sicherung der Kanten sein, als die Overlocknaht.

Bei der Hong Kong Naht wird die Kante mit einem Schrägband eingefasst. Entgegen der Anweisungen zahlreicher Videos und Blogartikel, die sich so im Internet finden, empfehle ich keine gekauften Schrägbänder, egal ob aus Baumwolle oder Satin. Bitte, bitte nicht, sie sind meist zu dick!

Diese Kantenversäuberung ist nicht unbedingt ein Selbstzweck – sie soll versäubern und gefällig für das Auge sein, so man sie sieht. Aber eines soll sie nicht: von außen sichtbar sein oder auftragen. Die Wahl des richtigen Materials für das Schrägband richtet sich also nach der Dicke und der Eigenschaft des Oberstoffes.

Entsprechend des Bildes ist meine erste Empfehlung für das Schrägband Futterstoff. Es geht auch ein sehr feiner Hemden- oder Blusenstoff und wenn es ganz fein werden soll Seidenorganza. Die ist übrigens weitaus besser zu verarbeiten, als die günstigere Polyester-Schwester. Aber das nur, wenn’s wirklich ganz schick werden soll. Chiffon ginge auch, aber das ist nur etwas für echte Feinmotoriker mit unendlicher Geduld. ;)

Das Material des Schrägstreifen sollte unbedingt, sofern das Kleidungsstück später gewaschen werden soll, zu der Waschtemperatur passen und vorher dementsprechend vorbereitet sein. (Vorwaschen, Dämpfen o.ä.)

Wie man selbst Schrägband zuschneidet, ist zahlreich und meist zutreffend im Netz zu finden und muss an dieser Stelle nicht noch extra erklärt werden. Die Breite des Bandes sollte zwischen 3 und 4 Zentimetern liegen.

Wie näht man eine Hong Kong Naht?

Entgegen der schon oben genannter Videos und Artikel bevorzuge ich es, die Hong Kong Nähte vor dem Zusammennähen der Teile zu fertigen. Bei korrektem Zuschnitt hat man einfach weniger Gefummel, bzw. nicht soviel Stoff unter der Maschine zu bewegen. Die Nahtzugaben sollten mindestens 1 Zentimeter betragen, besser sind 1,5 Zentimeter.

Zur Demonstration habe ich einen schwarzen Jeansstoff gewählt, da man bei diesem Material die rechte und die linke Seite des Stoffes ganz gut erkennen kann. Die rechte Stoffseite ist die, die nach außen kommt (hier dunkler), die linke entsprechend die innere Seite (hier heller).

Der Schrägstreifen wird rechts auf rechts an die Kante des Oberstoffes gelegt. Für diejenigen, die sich noch unsicher beim Nähen fühlen, können den Schrägstreifen auch feststecken. Dabei sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass der Streifen nicht verzogen oder gedehnt wird – einfach glatt und locker festpinnen.

Mit einem Abstand von ca. 5 Millimetern wird der Schrägstreifen auf den Oberstoff genäht. Dann geht es an’s Bügeleisen.

Der Schrägstreifen wird von der Nahtkante zur Nahtzugabe gebügelt. Hier ist vor allem darauf zu achten, dass der Streifen im rechten Winkel nach außen gebügelt wird. Also nicht parallel zur Kante glatt bügeln, weil sich dadurch das Band verziehen kann, auch hier: weder ziehen noch dehnen!

Das Bügelstück wird umgedreht und das Schrägband um die Nahtzugabe gelegt und zum Stoff hin glattgebügelt. Es gilt das zuvor Gesagte: rechter Winkel, kein Ziehen, kein Dehnen. Wer möchte, kann sich das Schrägband wieder stecken, muss es aber nicht, weil durch das Bügeln ein recht haltbarer Falz entstanden ist.

Von der rechten Seite wird nun der untenliegende Falz des Schrägbandes festgenäht. Hier die Variante des knappkantigen Absteppens …

… oder – meine bevorzugte Methode, im Nahtschatten.

Wie sich diese zwei Varianten machen, zeigt der Vergleich. Rein technisch gesehen sind beide Methoden okay, es ist einfach eine Frage der persönlichen Präferenz und des Geschmacks.

Nach dem Fixieren des inneren Falzes steht meist noch ein ganzes Stück Stoff über. Der wird auf ca. 3 Millimeter zurückgeschnitten.

Eine saubere Kante mit der Hong Kong Naht

Hier noch eine kleine Erweiterung für den Fall, dass die Hong Kong Naht bis zum Rand des Oberstoffes reichen und entsprechend sauber aussehen soll.

Die ersten zwei Schritte, das Aufsteppen des Streifens auf den Oberstoff und das Umbügeln, bleiben gleich, außer dass ein Überstand von 1 – 1,5 Zentimeter verbleiben sollte.

Das Bügelstück wird nun auch umgedreht und das überstehende Stück um die untere Kante zurück zum Stoff gelegt.

Ich habe den Überstand mal festgesteckt, weil er sonst gerne wieder zurückklappt bevor ich das Foto machen kann. Für den weiteren Bügelvorgang ist die Nadel natürlich völlig fehl am Platz.

Die Ecke wird also umgeklappt und der Bügelvorgang schließt an den schon beschriebenen an: der Falz wird glatt nach innen umgebügelt.

Von rechts wird nun der Falz festgesteppt und die Kante am Anfang (oder am Ende, je nach dem) mitgefasst. Leider habe ich es beim besten Willen nicht hinbekommen, die Kante mit der Kamera scharf zu fotografieren – die hat sich immer wieder auf das Muster fokussiert. Das bitte ich an dieser Stelle zu entschuldigen und hoffe, dass es trotzdem noch verständlich ist.

So sieht es dann von vorne aus: eine schöne saubere Kante, wie es sein muss. :)

Nach diesem kleinen Exkurs komme ich wieder auf unsere eingefassten Teile zurück.

Die können nun ganz normal zusammengesteckt und genäht werden.

Die Nahtzugaben werden auseinander gebügelt und fertig sind die Hong Kong Nähte –  einmal von innen und einmal von außen.

Die Tücken der Hong Kong Naht

Ich möchte gerne noch mal einen kleinen Schlenker machen, um zu zeigen, weshalb ich so ausdrücklich auf das richtige Annähen und Bügeln hinweise. Die Kanten werden mit Schrägband eingefasst. Das ist durch seinen 45°-Schnitt natürlich besonders dehnbar, was ja bei Rundung durchaus sinnvoll und erwünscht ist. Die Dehnungsfähigkeit hat aber wiederum den Nachteil, dass sich das Schrägband in sich verziehen kann.

Das Dehnen beim Aufsteppen und/oder Verziehen beim Bügeln führen zu Zugstreifen bei der Einfassung. Ein klein bisschen davon ist sicher kein Drama oder ein Fall für den Nahttrenner, aber bei einem leichten Oberstoff kann ein stärkerer Zug durchaus Einfluss auf den Fall der Naht nehmen.

Also nehmt euch ruhig die Zeit für eine sorgfältige Verarbeitung, damit aus eurem Kleidungsstück ein Kunstwerk wird, an dem ihr hoffentlich auch lange Freude haben werdet.