Die erste Anprobe lief super – das Oberteil passte wie angegossen und hatte noch Luft.
Der Tüllrock fand bei meiner Nichte besonderen Anklang, weil er beim Um-sich-selbst-drehen so schön hoch flog. Die ganzen Probeteile wollte sie bis zu meiner Abfahrt anbehalten und fühlte sich schon halb als Prinzessin. Was die Freude des Kindes angeht, so hätte ich hier schon fast aufhören können.

Überraschend viel Stoffbedarf für ein Kinderkleid

Aus der Anprobe ergaben sich nur geringfügige Änderungen, so konnte ich also loslegen um das Oberteil und das Futter für die Robe schon mal auszuarbeiten. Für die Robe selbst brauchte ich viiieeeel Papier.

Nachdem die Schnitte soweit stehen, ist der Stoffverbrauch besser einzuschätzen: Für das Unterkleid, hier gehe ich von 2x der Rockhöhe aus, plus Unterrock mit einfacher Rockhöhe, plus Volants und Miederteil kalkuliere ich 3,5 Meter, für die Robe ungefähr 2,5 Meter, das entspricht ca. der zweifachen Körpergröße. Überraschend viel Stoff, sechs Meter – mit soviel hatte ich nicht gerechnet! Außerdem brauche ich noch Spitze und einen Reißverschluss. Für das Unterkleid habe ich einen Taft in zartem Gelb ausgewählt und für die Robe einen bestickten, rot-gelb changierenden Taft. Da der bestickte Taft ein Reststück war, hat der langjährige Stoffhändler meines Vertrauens mir freundlicherweise knappe 3 Meter für 2,5 Meter gelassen. Von dieser Stelle aus noch mal meinen besten Dank!

Das Mieder

Erstmal bekommt der Tüllrock innen ein Taftfutter, damit die Strumpfhose nicht ständig am Tüll klebt. Dazu reicht die wenig verringerte Rockhöhe in einfacher Stoffbreite (1,50 m) aus. Tüll und Taft werden gerafft und mit einem langen Streifen aus Taft zusammengefasst; die Enden des Taftstreifens können zu einer Schleife hinten zusammengebunden werden. An den Seiten habe ich noch zwei Lagen aus Tüll übereinandergelegt, um die rokokotypische Rockform zu erreichen.

Als nächstes folgt das Mieder. Das habe ich doppelt zugeschnitten, so dass gleichzeitig auch ein „Futter“ vorhanden ist. Zudem gehe ich davon aus, dass das Rockteil besser gehalten wird, wenn das Futter innen gegen genäht ist. Zwischen Oberstoff und Futter wird am Ausschnitt ein Streifen gekräuselte Spitze eingesetzt.

Bezüglich der Verzierungen orientiere ich mich locker an dem Kleid der Madame de Pompadour, vom dem anzunehmen ist, dass es in seiner Fülle sehr vornehm war. Das Mieder wird hinten mit einem Reißverschluss geschlossen.

Der Rock

Das Rockteil wird schon ein wenig kniffliger. Die vordere Länge ist etwas kürzer als die seitliche Länge, bedingt durch das Mehrvolumen des Tülls. Hier habe ich für vorne und hinten jeweils eine Stoffbreite angesetzt. Neben der ungleichen Rocklänge muss zusätzlich noch die vordere und hintere Spitze des Mieders berücksichtigt werden. Dafür habe ich die Spitze bis zur Taillenlinie auf Papier gezeichnet und in gleichmäßigen Abständen auseinandergezogen, also so eine Art Falten eingezeichnet. Das habe ich auf den Stoff übertragen und an den Stellen den Stoff entsprechend eingekräuselt. Was über die Spitzen zur Seite hinaus geht, habe ich regelmäßig eingekräuselt und in Kellerfalten gelegt, bis es auf die Länge passte – ein ziemliches Gefummel, das Ganze. Nachdem das an das Mieder genäht war, war das Gegennähen des Futters vergleichsweise einfach. An dem Punkt muss ich mir beim nächsten Mal etwas Effektiveres einfallen lassen. Zumindest der Teil ist schon mal geschafft.

Die Puppe

Da tut sich nun das nächste Problem auf: Ich brauche eine Puppe, der ich das Kleid anstecken/überhängen kann. Nach einigem Sinnen bin ich auf die Idee gekommen mit Industriefilz (den ich zufälligerweise noch hatte) eine passende Hülle zu nähen und diese mit Bastelwatte (die ich zufälligerweise auch noch hatte) auszustopfen. Dazu einen alten Besenstiel und Maurerschnur, mit dem ich die Filzpuppe am Besenstiel befestige, das Ganze in den Ständer meiner Schneiderpuppe stecke – et voilá – fertig ist die Kinderschneiderpuppe! Die ist zwar keine Schönheit, hat aber den Vorteil, dass man etwas an die Puppe aufstecken kann.

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