Wie bereits angekündigt, habe ich meine erste Chemise kurz vor der Fertigstellung in vorzeitigen Ruhestand geschickt. Nach einigem Suchen habe ich auch ein schönes Leinenstöffchen gefunden, das meinen Vorstellungen deutlich näher kam. Vor allem ist er dichter gewebt, als bei dem ersten Stoff, was das Nähen erheblich vereinfacht.

Die Arbeitsschritte sind die gleichen, wie ich sie schon in Teil 1 und Teil 2 beschrieben hatte, ich verzichte also auf Wiederholungen. Trotzdem werde ich hier ein Stück vorher anfangen, weil ich in einem früheren Schritt abweichend vorgegangen bin.

Die Seitenkeile

Im letzten Artikel hatte ich ja schon angemerkt, bei der neuen Chemise einige Veränderungen vornehmen zu wollen. Zum einen waren es die Ärmel, die mir zu weit waren. Die habe ich schmaler gemacht, so dass ich sie am Saum nicht mehr einkräuseln brauchte.

Die zweite Veränderung habe ich an den Seitenkeilen vorgenommen. Die Seitenkeile sind aus einem schmalen, in der Diagonale geteiltem, Rechteck entstanden. Somit liegt auf einer Seite der Dreiecke der Fadenlauf schräg. Die bisherigen Anleitungen und Vorgehensweisen, die ich gefunden hatte, haben die Seite mit dem geraden Fadenlauf an das Hauptteil der Chemise angenäht und die schrägen Seiten bildeten die Seitennaht. Eine, wie ich finde, nicht besonders gelungene Lösung, weil durch den schrägen Fadenlauf die Seitennaht dazu neigt, sich in die Länge zu ziehen und zu zipfeln.

Meine Überlegung war daher, die Seite mit dem schrägen Fadenlauf an das (gerade verlaufende) Hauptteil der Chemise zu nähen und so die geraden Fadenläufe an der Seitennaht zu haben. Der gerade Fadenlauf kann sich nicht großartig nach unten dehnen und hält zudem den schrägen Fadenlauf vom Dehnen ab. Die Seitennähte sind durch den geraden Fadenlauf auch formstabiler und können nicht mehr zipfeln.

Am besten legt man das Hauptteil der Chemise flach auf den Tisch oder Boden. Darauf legt man den Seitenkeil, mit dem schrägen Fadenlauf auf die Seitenkante des Hauptteils. Die schräge Kante sollte ganz locker aufliegen, weder eingehalten noch gedehnt werden. Wenn die Kanten glatt und gerade aufeinanderliegen, kann man sie feststecken und anschließend nähen.

Wenn man so vorgeht, ist der Überstand des Seitenkeils nicht so groß. Daraus ergibt sich aber auch, dass beim Angleichen der Saumlinie eine geringere Schräge am Saum entsteht. Insgesamt ist dieser Weg wesentlich vorteilhafter als die üblich verbreitete Vorgehensweise.

Jetzt nehme ich nicht für mich in Anspruch, dass ich nach gut 250 Jahren den goldenen Weg zur Chemisenerstellung gefunden habe. Den Menschen damals dürfte das wahrscheinlich auch nicht entgangen sein. Deshalb hatte es mich interessiert, ob tatsächlich so vorgegangen wurde. Die Recherchen im Internet haben ergeben, dass es zum einen nur wenige erhaltene Chemisen aus dieser Zeit gibt, und zum anderen, dass aus den Abbildungen dieser wenigen Exemplare leider nicht zu erkennen ist, wie die Seitenkeile an das Hauptteil genäht wurden. Sollte ich mal nach New York kommen, so werde ich das im Metropolitan Museum of Art eruieren. ;)

Die Auszier am Ausschnitt

Mit dem Ausschnitt knüpfe ich an das Ende des letzten Artikels an. Da habe ich es mir leicht gemacht und die Ausschnittreste der letzten Chemise als Vorlage genommen. Dazu habe ich 1 cm Nahtzugabe eingezeichnet und die Löcher für das Durchzugsband markiert.

Die Löcher für die Ösen habe ich, wie bei der Schnürbrust, mit einer Ahle gestochen. Die Löcher selbst sind mit zwei Runden umstochen – das Garn ist doch recht dünn, als dass es mit einer Runde gereicht hätte.

Die Spitze für den Ausschnitt ist 3 cm breit. Am unteren Rand kräusele ich sie ein wenig ein. Da sie komplett aus Baumwolle ist, scheint mir ein stärkeres Einkräuseln zu dick.

Anschließend lege ich die Spitze an den Ausschnittrand und hefte sie fest. Der Tunnel soll ca. 2 cm breit werden, also schneide ich einen Streifen von 4 cm Breite im schrägen Fadenlauf zu. Der Fadenlauf sollte deshalb schräg sein, weil die Rundung an der Kante des Ausschnitts kleiner ist als die Rundung 2 cm tiefer. Der Stoff muss etwas dehnbar sein, um glatt aufzuliegen. Der Streifen wird auf die Spitze gelegt und mit Rückstichen angenäht. Wenn man das von der Rückseite macht, ist der Heftstich von der Spitze eine Orientierung. Ich habe knapp darunter genäht.

Tunnel und Spitze werden nach oben gelegt und alles schön glatt gebügelt. Den einen Zentimeter Nahtzugabe hatte ich bereits vor dem Nähen umgebügelt. Nun ist ein bisschen Fingerspitzengefühl gefragt: der Tunnel wird nach innen gebügelt, dabei sollte der Stoff der Chemise nicht verzogen werden, so dass der Tunnel auf dem geraden Stoff aufliegt. Eventuell muss aber der Tunnel mit dem Bügeleisen ein wenig gedehnt werden, damit es gut passt. Danach wird der Tunnel vorsichtig mit Nadeln festgesteckt und mit einem Saumstich am Ausschnitt befestigt.

Nachdem der Tunnel fertig ist, bügle ich die Kante nochmals flach. Damit sie so bleibt, nähe ich knapp am oberen Rand mit einem Vorstich entlang. Außerdem sieht es besser aus.

Damit wäre die Chemise soweit fertig. Hier, auf meiner Dame ohne Unterleib hängend, mit der Probe-Schnürbrust drunter.

… und noch mal der der Ausschnitt aus der Nähe.

Zum Abschluss bekommt die Chemise noch ein Band für den Tunnel. Den schneide ich gerade zu, 2 cm breit und ca. 50-60 länger als der Umfang des Ausschnitts. An den Längsseiten wird auf beiden Kanten ein halber Zentimeter umgebügelt, gegeneinander gelegt und zusammengenäht.

Der krönende Abschluss wären jetzt natürlich noch die Engageantes, die Auszier für die Ärmel. Dafür hatte ich auch, passend zum Ausschnitt, Spitze bestellt. Aber grob überschlagen, um eine entsprechende Fülle zu erhalten, habe ich mich in der Menge ein wenig vertan und zu wenig bestellt. Ich schätze mal, dass pro Ärmel mindestens 1,50 m nötig sind, wenn man jeweils zwei Lagen Spitze annimmt.

Sobald ich Nachschub habe, werde ich die Engageantes nachreichen und diese Artikelreihe abschließen.

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