Nachdem die Ärmel angenäht sind, kann man sich die fertige Chemise schon deutlich besser vorstellen. Das spornt an.
Die Seitenkeile
Die Seitennähte bilden die diagonalen Kanten der Keile. Hier finde ich es schon schwieriger mit dem Nähen, weil sich durch den schrägen Fadenlauf die Nähte sehr schnell verziehen und dehnen. Bevor ich die Kappnähte mache, müssen die Saumkanten angepasst werden. Durch die Diagonale ist ja eine längere Strecke entstanden als bei den geraden Kanten. So bildet die Seitennaht einen Zipfel.
Das Anpassen des Saumes habe ich so gelöst: Zuerst habe ich die geraden Kanten der Keile ausgemessen und diese Strecke auf die Seitennaht übertragen. Würde man mit einer Linie die geraden Kanten der Keile miteinander verbinden, so ist die Länge der Seitennaht kürzer als die gemessene Länge, der Saum wäre an der Seite zu kurz. Also habe ich an der gemessenen Länge eine waagerechte Linie auf die Saumkante gezogen, und zwar so, das nur einen minimale Ecke entsteht. Es sieht zwar jetzt rund aus, ist es aber nicht wirklich.
Man kann natürlich auch die gemessene Strecke, mit der Keilspitze als Drehpunkt, Stück für Stück am Saum anzeichnen. Das ist bei gleichem Ergebnis mehr Arbeit. Da der Saum sowieso im schrägen Fadenlauf liegt, bleibt das Umschlagen der Saumkante eine fummelige Angelegenheit, egal, wie man die Kante nun anpasst.
Der Ausschnitt
Selbst bei sorgfältigem Zurechtziehen, so ganz gerade bekommt man den Sitz der Chemise unter der Schnürbrust nicht hin. Die angezeichneten Linien müssen nachher angeglichen und begradigt werden. Da der Stoff nicht besonders dicht gewebt ist, verzieht sich ganz schnell irgendeine Ecke. Weil das echt nervig war, habe ich nach einer anderen Lösung gesucht: Es liegt ja auf der Hand, wenn ich den Ausschnitt anzeichne, entspricht das auch dem Ausschnitt der Schnürbrust. Entscheidend sind dabei zwei Punkte: die Tiefe des Ausschnitts und die Lage der Träger auf der Schulter. Faltet man die Chemise in der vorderen Mitte, so kann man die Schnürbrust an diese zwei Punkte anlegen und die Kante des Ausschnitts nachzeichnen. Die Träger der Schnürbrust müssen so gelegt werden, dass sie den Punkt an der Schulter treffen. Das Ganze macht man auch mit der hinteren Seite. Das klappt hervorragend und dieses elendige Gefummel mit dem Angleichen der Linien wird völlig überflüssig.
Das ganze habe ich über Nacht liegen lassen, weil ich irgendwie nicht wirklich zufrieden war. Letzten Endes habe ich mich entschieden, mir einen neuen Stoff zu besorgen, einen der dichter gewebt ist. Die Erfahrung am Saum hat gezeigt, dass bei schrägem Fadenlauf und locker gewebtem Stoff Rundung äußerst schwierig zu nähen sind. Der Ausschnitt ist praktisch eine einzige Rundung. Ich fände es zu schade, die teure Spitze anzunähen und nachher einen blöden Ausschnitt zu haben. Dann müsste die Spitze wieder rausgetrennt werden, und zwar möglichst ohne Schaden, und eine neue Chemise her.
Mir blutet zwar das Herz wegen der vielen Arbeit, aber es ist besser jetzt neu anzufangen (und im Hintergrund grüßt außerdem noch der Perfektionismus ). Immerhin, die Maße habe ich alle, die Chemise sitzt soweit ganz gut. Und ich könnte einige Änderungen vornehmen, die ich besser fände, wie z.B. schmalere Ärmel zu machen. Es bleibt jedoch weiterhin das Problem, im Internet einen passenden Stoff zu finden.