Hier im Blog ist es in letzter Zeit leider ein wenig ruhig geworden, was an dem recht aufwändig verarbeiteten Blazer gelegen hat.

Aber der Reihe nach. Im Frühherbst hatte ich das Glück den Rest eines wunderbaren Stöffchens zu ergattern: Ein Woll-Seidengemisch mit Pfeffer-und-Salz-Struktur in Beige-Braun-Tönen. Das sind im Prinzip nicht so meine Farben, aber der Stoff fühlte sich traumhaft an und musste einfach mit. Da dieser Rest von 1,20 m für einen Blazer nicht ausreichen würde, kam noch ein farblich passender Leinenstoff hinzu.

Modellentwicklung

Die Vorlage für den neuen Blazer hatte ich bereits vor ca. 4 Jahren entworfen und genäht.

Was auch immer mich damals geritten hatte, die Jacke war ein wenig zu groß ausgefallen. Sowohl die Idee als auch den Schnitt fand ich grundsätzlich immer noch gut – der Blazer ist eine Mischung aus historischen und traditionellen Elementen, die ich gerne beibehalten wollte.

Mit einem aktuellen Grundschnitt ist das Problem der Übergröße leicht zu lösen gewesen. Abweichend von dem alten Entwurf wollte ich bei dem neuen Modell aber den vorderen Abnäher nicht mehr gerade über die Brust laufen lassen, sondern im oberen Bereich am liebsten so verlegen, dass eine horizontale Abtrennung oberhalb der Brust entsteht, die seitlich in einer Wiener Naht mündet.

Bei dem ersten Schritt (rechts) entstand das Problem, dass die horizontale Naht in jeden Fall im Revers endet, was ich als nicht so vorteilhaft erachtet habe, da dann im Reversbruch eine Naht liegt. Im zweiten Schritt (links) habe ich diese Abtrennung wieder geschlossen.

Letztlich habe ich den Abnäher gänzlich wegfallen lassen, da er bei längerer Betrachtung nicht wirklich zu der Linienführung der Jacke passte. Die Passform habe ich mit einem Nesselmodell geprüft und kleinere Änderungen direkt im Schnitt vermerkt. Die Kante vorne verläuft nun nicht mehr rund, sondern schräg in den Saum rein. Die Saumkante wird zur hinteren Mitte hin länger.

Ein erstes Auflegen der Schnittteile auf den Stoff zeigte, dass der Stoff nicht reichen würde. Um trotzdem die Jacke zuschneiden zu können, musste nun das Prinzip „Konfektion“ ran: Einzelne Schnittteile werden soweit in Einzelteile zerlegt, dass sie leichter zu positionieren sind und dabei die Stoffmenge bis zur Neige ausreizen. Dabei ist es von Vorteil, wenn der Stoff keinen „Strich“ oder eindeutigen Musterverlauf hat, wie meiner. :)

Das Zerlegen fand dann hauptsächlich im Rücken statt und bei der erneuten Positionierung konnte ich noch ein Eckchen für die Säume freischaufeln.

Alle Teile lagen im Fadenlauf, nur die sonst üblichen Nahtzugaben von 1,5 – 2cm waren nicht mehr drin, hier musste ein Zentimeter eben ausreichen. Ebenso wenig waren Saumzugaben drin, die ich als separate Teile an das freigeschaufelte Eckchen ausgelagert habe. In der Hinsicht werde ich aus der (Stoff-) Not eine (Dekorations-) Tugend machen, aber dazu später mehr.

Zuschnitt und Stoffveredelung

Nach dem Zuschnitt habe ich sämtliche Passmarken mit Heftfaden auf die Einzelteile übertragen. Normalerweise, bei ausreichenden Nahtzugaben, mache ich kleine, dreieckige Knipse am Rand des Schnittteils. Hier, mit sehr knappen Zugaben, wollte ich lieber auf Nummer sicher gehen.

In Anbetracht dessen, dass der Winter naht und um dem Stoff einen etwas schwereren Fall zu geben, habe ich mich entschlossen, ihn mit Batist zu hinterlegen. Dafür werden sämtliche Teile, außer den Belegen, nochmals in Batist zugeschnitten.

Nun kann man die Stofflagen nicht einfach aufeinander legen und heften. Nein, die Stofflagen müssen ein wenig „gerollt“ werden, d.h. eine Seite wird geheftet, die Stofflagen locker über eine Kante gehängt, wahlweise übers Knie gelegt, und dann wird die andere Seite geheftet. Zwischendurch hielt ich das Teil an einer Kante hoch und prüfte, ob irgendwo etwas spannt, beult oder sich verzieht. Die zwei Lagen werden nachher nicht nur wie eine Lage weiterverarbeitet, sie müssen auch wie eine Lage fallen.

Eine etwas zeitaufwändige Sache – so 6-7 Stunden sind dabei schon drauf gegangen, aber von der Wirkung und dem Fall des Stoffes war ich am Ende sehr angetan. :D

So weit vorbereitet, werden nun die Einzelteile für die Vorder- und das Rückenteil zusammen genäht. Bevor es weitergeht, komme ich zu der aus Not geborenen Saumlösung: Sämtliche Säume, auch die an den Ärmeln, werden mit einer Paspel abgesetzt.

Detailverarbeitung und Taschen

Da ich ja keine Saumzugabe habe, werden Streifen des Reststoffes gegen die Paspeln gesetzt. Vorab hatte ich ein bisschen mit verschiedenen Varianten experimentiert, auch Keder hergestellt, die sich aber alle als zu steif erwiesen.

Ein sehr feiner Baumwollstoff, eigentlich für Hemden gedacht, brachte die gewünschten Eigenschaften mit. Streifen dieses Stoffes mussten 3x knapp 3 mm umgebügelt und abgesteppt werden. Insgesamt benötigte ich 5 Streifen á 150 cm x 2,5 cm. Keine sehr prickelnde Tätigkeit und mehr hätte es auch nicht sein dürfen.

Zur weiteren Verarbeitung war das Paspelband nötig, da es auch am Rückenteil zwischen die Leinen-Godets und den rückwärtigen Stoffteilen sollte. Die hintere Mitte habe ich dann gleich komplett eingefasst, die Paspel verläuft also ab der Spitze des ersten Godets über das Mittelteil bis zur Spitze des zweiten Godets. An den gegenüberliegenden Kanten der Godets habe ich die Paspel vorübergehend zusammen gerollt, um sie später an einem Stück am Restsaum über die vordere Kante bis zum Revers anzunähen.

Das Rückenteil war dann soweit erstmal fertig und nun ging es an die Vorderteile: Dort kamen als nächstes die Taschen dran.

Mit kleineren Stücken der Paspel habe ich die Eingriffkante der Taschen eingefasst, ehe die Taschenbeutel aus Futterstoff gegen genäht wurden. Der untere Taschenbeutel ist dann wieder aus Leinen zugeschnitten.

Damit der Paspel auch schön sitzt, darf oberhalb des Tascheneingriffs die Teilungsnaht noch nicht komplett geschlossen werden. Ich habe ein Stückchen vor dem Eingriff die Naht verriegelt, nach dem Einsetzten die verliebende Reststrecke geschlossen und den Paspel dadurch gleich mitgefasst.

Die Taschenbeutel werden geschlossen und an der seitlichen Markierung gesteckt. Die Nahtzugabe an der Teilungsnaht wird oberhalb des Taschenbeutels eingeschnitten. Nach oben hin wird die Naht auseinander gebügelt, unter dem Einschnitt mitgefasst.

Bis zur Fertigstellung der Jacke verschließe ich die Tascheneingriffe mit einem Hexenstich. So verhält sich das Vorderteil wie ein Stück, es baumelt nichts rum und leiert auch nichts aus.

Soweit der erste Teil. Im nächsten Teil kümmere ich mich dann um das Innenleben, nämlich die Einlage.

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