Manche Projekte fordern nicht nur Geduld, sondern auch ein gerütteltes Maß an Hartnäckigkeit. Das passiert nicht so oft, aber wenn, dann ist es ein Weg voller Blut, Schweiß und Tränen. So erfahren an meinem Lieblingskleid, dem ich einen neuen Look verleihen wollte.

Das war die Ausgangslage: Ein ärmelloses Kleid zum Überziehen, mit seitlichem Reißverschluss, Oberteil und Saum aus einem Dekostoff mit Chenillefäden, die an einigen Stellen bereits die Freiheit suchten. Das Rockteil ist aus einem braun-karierten Wollstoff mit leichtem Elastananteil. Den wollte ich erhalten. Die Passform des Oberteils ist eher so lala und schon seit längerem ein persönliches Ärgernis. Zudem ist das Kleid ungefüttert und krabbelte immer wieder nach oben.

Nun kann es ja nicht so schwierig sein, ein Oberteil zu ersetzen. Meinte ich. Ein passender Schnitt war mit meinem aktuellen Grundschnitt schnell erstellt und an die Ansatzlinie des Rockteils angepasst. Es fehlte halt nur ein passender Stoff. In meinen Stoffvorräten war nichts zu finden. Auch diverse Stoffläden hatten, als wäre es verabredet, nichts Passendes im Angebot.

Dann hatte ich eine Idee, wie das Oberteil mit einem schlichten Stoff gestaltet werden könnte.

Modell 1

Eine Flechtarbeit mit Sternchen. Da einfach zu einfach ist, wollte ich herausfinden, ob man ohne Seitennaht um den Oberkörper herum flechten kann. Man kann. Und es ist eine Sisysphosarbeit. Allerdings ist, durch die vielen Streifen, ein nicht unerhebliches Gewicht entstanden, für das das Rockteil zu leicht war. Nun habe ich zwar ein geflochtenes Oberteil, aber kein passendes Rockteil. :( Und Frust obendrauf.

Modell 2

Nächster Versuch, neue Idee. Der Stoff ist jetzt farblich nicht die allererste Wahl, könnte aber durch die Raffung im Vorderteil diese Schwäche ausgleichen. Grundsätzlich ist dieser Schnitt nicht schlecht, aber der Stoff offenbart weitere Schwächen, vor allem die, dass der Bias-Cut nicht so ausfällt, wie er sollte. Das wäre dann die nächste Portion Frust. :(

Modell 3

Bevor ich mir mit weiteren Versuchen die Laune verderbe und für die Tonne produziere, versuche ich es auf dem systematischen Weg. Ich sammle meine Ideen und skizziere sie. Da sich nach wie vor kein Stoff finden lässt, der einen der Brauntöne aus dem Rock aufgreift, bin ich mittlerweile bei einer neutralen Farbe gelandet. Und bei einem feinem Wollstoff. Da dieser nicht unbedingt der Hingucker ist, werde ich das mit der Form wieder wett machen.

Dafür muss ich den Schnitt noch mal überarbeiten. Die Rundungen folgen einer organischen Linie und sind nicht symmetrisch, somit muss jedes Teil einzeln erstellt werden.

Hier haben wir die Oberteile mit asymmetrischen Ausschnitten. Die Heftlinie markiert den Ansatz zum Rockteil.

Das Futter habe ich direkt an die Belege genäht, so kann ich diese als ein ganzes Teil weiterverarbeiten. Das Futter reicht nur bis zur Ansatzlinie – dort wird der Rock angefügt.

Die oberen Ausschnittkanten hinterlege ich mit Organza, um die feinen Rundungen zu stabilisieren. Die Organza wird beim Verstürzen mitgefasst und auf Nahtzugabenbreite zurückgeschnitten.

Bevor nun das Oberteil an den Rock kommt, füge ich den Saum an. Die beidseitig geschwungene Saumkante besteht ebenfalls aus einzelnen Schnittteilen, ebenso wie die Belege. Die unteren Kanten fixiere ich mit Heftgarn, um sie gut ausbügeln zu können. Die Rundungen der oberen Kante werden fein mit der Hand an den Rock genäht. Das ist auch der Grund, warum ich den Saum vor dem Oberteil fertig gestellt habe: Bei der Länge des Saumes komme ich sowohl von oben als auch von unten besser an die Naht ran.

Der Status mit Oberteil: Der Rock ist an das Futter des Oberteils geheftet, um die Rundungen richtig positionieren zu können. Die Rundungen werden gesteckt, anschließend geheftet und müssen dann noch von Hand angenäht werden.

Nachdem das Oberteil am Rock hängt, kann ich die Heftfäden am Futter lösen, den Futterrock anstecken, nähen und das Futteroberteil gegen nähen. Somit ist innen auch alles hui. :) Nun muss noch der nahtverdeckte Reißverschluss eingenäht werden und dann folgt das Finishing.

Die Heftfäden an den Kanten hatten mich dazu inspiriert, die dunkelgrauen Flächen auf dem Karo durch eine doppelte, farblich passende Sticklinie optisch zu integrieren. An den Saum des Futterrockes füge ich einen gerafften Volant aus einem feinen, blumigen Viskosestoff an. Ein tiefer Griff in meine Stoffvorräte hat noch einen Streifen braunen Seidenchiffons ans Tageslicht gefördert. Auch er erhält einen Platz an der Saumkante.

Es bleibt zum Abschluss noch das obligate Tragebild. Es hatte lange gedauert, manchmal wollte ich es einfach hinschmeißen, aber nun bin ich sehr glücklich mit dem Ergebnis.