Vor einiger Zeit begegnete mir beim Surfen im Netz ein Shirt, das den Tüftler in mir herausforderte. Irgendein Designer hat’s mal gemacht, leider weiß ich nicht welcher. Aber egal. Der Clou an dem Shirt ist, dass es vorne gedreht ist und keine Schulternähte hat.

Das sah in etwa so aus. Nun ist so ein Twist nicht unbedingt geheimes Elitewissen, mit separaten Vorder- und Rückenteil auch nicht wirklich schwierig und vor allem mit Sicherheit stoffsparender. ;)

Der Reiz bestand eher darin, die richtige Anordnung der Schnittteile zu finden, um die Schulternaht zu vermeiden.

Dies ist also eher eine theoretische Überlegung darüber, wie der Schnitt zu dem Shirt aussehen könnte und wie man dort hin kommt.

Den Schnitt entwickeln

Als erstes habe ich den vorderen Ausschnitt eines Shirt-Grundschnittes soweit nach unten verlegt, das er der Oberkante des Twists entspricht. Die Schulterpartie wird ein wenig verbreitert.

Im folgenden Schritt drehe ich die vordere Mitte und die Träger ein wenig auf. Das ist nötig, da durch das Verdrehen etwas mehr Stoff gebraucht wird. Wenn der Schnitt, bedingt durch eine größere Brust, einen Abnäher an der Seitennaht hat, so kann dieser zur vorderen Mitte verlegt werden.

Das modifizierte Vorderteil wird nun gespiegelt und an der oberen Kante des Ausschnittes aneinander gelegt (1). Eine Mehrweite für den Twist wird als Abstand zwischen den Vorderteilen gelassen, das sind die roten Linien. Ich würde einen Abstand von ungefähr 2 cm wählen, der sich aber nach Brustumfang sicher verändern kann. Die grünen Linien (2) sind die Untergrenze des Twists.

Diesen Bereich habe ich auf der Zeichnung zur Verdeutlichung mal als grüne Fläche markiert. Das ist der Bereich, in dem insgesamt gedreht wird.

Nun setze ich das Rückenteil an die äußere Spitze der Schulter, der Fadenlauf des Rückenteils ist im rechten Winkel zum Fadenlauf des Vorderteils. In der Zeichnung ist es die Taillenlinie, die aber ihrerseits im rechten Winkel zum Fadenlauf liegt – passt scho’.

Die Linie wird in einer passenden Rundung aus dem Halsausschnitt rausgeführt und endet mit einer kleinen, schärferen Rundung in der vorderen Mitte. Die Strecke dieser Linie muss in etwa …

Wenn dieser Teil überprüft und korrekt ist, kann das Rückenteil mit der Verbindungslinie ebenfalls gespiegelt werden.

Jetzt wird unter den Linien noch ein bisschen aufgeräumt und der Fadenlauf eingezeichnet.

Prototyp nähen

Das war soweit der theoretische Teil. Die „graue“ Theorie muss sich erstmal in der Praxis bewähren. Deshalb nähe ich zur Überprüfung ein Probeteil.

Wie man an den Fadenläufen sieht, kann der Schnitt sowohl an den Vorderteilen ausgerichtet werden, als auch – im rechten Winkel, an den Rückenteilen. Für so ein Shirt wird also ein Jersey benötigt, der sich beidseitig dehnt. Idealerweise ist die Dehnung in beide Richtungen gleich groß. Der große Nachteil ist allerdings, dass man ungemein viel Stoff benötigt.

Um diese Menge Stoff zu sparen, entwerfe ich den Schnitt in halber Größe, d.h. ich halbiere alle Maße und konstruiere mit denen.

Und so starte ich an einem Reststück, ein ungeliebtes Stück Jersey aus meinen Vorräten, das final ein gutes Werk tun darf.

Eines der Vorderteile wird umgeklappt und trifft auf die vordere Mitte des gegenüber liegenden Vorderteils. Die vorderen Kanten lege ich gegeneinander und steppe die langen Kanten zusammen. Vor dem Twist macht die Kante eine kleine Kurve (die Verbindungslinie zum hinteren Ausschnitt). Diese Kurve nähe ich ein kleines Stück zusammen. Das ist die Mehrweite, die ich beim Spiegeln der Vorderteile an Abstand gelassen hatte.

Die Kanten der hinteren Mitten lege ich ebenfalls aufeinander und schließe sie. Nun sieht es schon sehr nach Shirt aus.

Der Rest ist jetzt nicht mehr schwer: Vorder- und Rückenteil liegen rechts auf rechts übereinander und die Seitennähte können ebenfalls geschlossen werden.

Fertig!

Da es sich ja um eine halbe Größe handelt, kann ich das Stück natürlich nicht anprobieren. In der Hinsicht hoffe ich ja möglichst bald eine entsprechende Schneiderpuppe erstehen zu können. Von der Ansicht her sieht es aber ziemlich richtig aus, also scheint die theoretische Überlegung soweit zu stimmen.

So reizvoll, wie die Sache ist: sollte ich ein Shirt mit Twist nähen wollen, so würde ich aus praktischen Erwägungen heraus die ganz normale Variante mit separaten Vorder- und Rückenteil wählen. Sie ist als Schnitt einfacher zu entwickeln, benötigt weniger Stoff – vor allem keinen Bi-Stretch und die Korrekturmaßnahmen für unterschiedliche Figuren sind auch leichter durchzuführen.

Aber man kann ja mal zwischendurch ein bisschen spielen. ;)