Es ist ja nicht immer einfach einen Mann modisch einzukleiden. Noch schwieriger wird es, wenn er schon im gesetzten Alter ist und die Tragegewohnheiten sich verfestigt haben. Ich habe es trotzdem versucht – mit einer überschaubar kleinen Dosis Mode.
Hemden in Slim-fit sind ja gerade in, das bringt allerdings beim Herrn im mittleren Alter so seine Probleme mit sich, vornehmlich in der Körpermitte. Die erste Anforderung an den Schnitt ist Mehrweite für den Bauch zu schaffen, ohne in die Zeltkonstrukte für den „Bauchtyp“ zu verfallen, denn – das muss ehrlicherweise gesagt werden, sooo dick ist der Bauch auch wieder nicht. Die zweite Anforderung liegt in der Haltung, die ein wenig von der Norm abweicht: der obere Rücken und die Schultern sind ein bisschen gerundet und es fehlen am Saum so circa 3 Zentimeter. Die dritte Anforderung ist recht einfach zu lösen, da auf Grund der Körpergröße nur die Gesamtlänge des Hemdes und die der Ärmel etwas gekürzt werden müssen.
Die weiteren Anforderungen bestehen aus den persönlichen Wünschen des Hemdempfängers. Der Kragen soll bitte nicht zu eng sein, obwohl der oberste Knopf sowieso nicht geschlossen wird, da der Träger ein hartnäckiger Krawattenverweigerer ist. Gut, also Kragenweite wird um 1 Zentimeter raufgesetzt. Und die Manschetten, die dürfen auch nicht so eng sein. Die werden zwar geschlossen, aber dürfen eben nicht so eng sein, egal, ob die Manschette über die halbe Hand hängt.
Der Stoff ist gewaschen und gebügelt und wartet seit geraumer Zeit auf seine Verarbeitung, es kann also los gehen.
Schnittentwicklung
Mit den individuellen Maßen stelle ich einen schmalen Hemden-Grundschnitt auf. Als nächstes korrigiere ich den Schnitt, um den Haltungsfehler auszugleichen, indem ich im oberen Rückenbereich die Höhe erweitere. Dies geschieht keilförmig, so dass der Armausschnit nicht von der Erweiterung berührt wird. Der Schulterabnäher vergrößert sich zwar durch diese Maßnahme, verschwindet aber, weil zusammengelegt, in der Passe.
Erst jetzt kann ich das Vorder- und das Rückenteil mit Teilungsnähten versehen, die von der Schulter bis zum Saum verlaufen. Im Vorderteil gebe ich im unteren Bereich der Teilungsnähte ein wenig Mehrweite rein, um dem Bauch Platz zu geben; hinten ebenfalls, insgesamt aber weniger, schließlich ist der Bauch ja vorne.
Zuschnitt
Kragen nähen
Wie ein Herrenhemd grundsätzlich zusammengenäht wird, habe ich bereits in meiner Mini-Serie „Herrenhemd Teil 1 und Teil 2“ beschrieben. Insofern werde ich mich hier auf die Abweichungen beschränken.
Wenn ich noch einmal so eine Art Kragen nähe, werde ich versuchen erst die Einlage aufzubügeln und dann zu nähen. Mal sehen, ob das besser geht.
Entscheidend ist jedoch, dass die Einlage nicht über die Nahtzugaben gebügelt wird, da das vorne immer zu sehen ist.
Hemdärmel einsetzen
Einen kleinen Kniff hätte ich noch: Bei der klassischen Verarbeitung wird der Hemdärmel innen mit einer Kappnaht versäubert. Das Umlegen der Nahtzugabe ist gerade an der Armkugel und der Schulter nicht so leicht.
Fertigstellung
Der Herr ist zufrieden, das Hemd trägt sich angenehm.
Jetzt liegt hier ja noch ein Hemdenstoff und wartet auf die Verarbeitung. Ideen hätte ich ja schon, alleine, sie müssen auch vom Empfänger gelitten sein. Einen kleinen Schritt zu mehr Mut zur Mode sind wir ja jetzt schon gegangen.
Die Kragenvariante finde ich interessant für Reparaturen sofern man sich die Mühe macht und den Kragen zerlegt.