Sohnemann macht Abitur und wird deshalb demnächst eine Abiturfeier haben. Dazu gehört für einen jungen Mann – meist zum ersten Mal in seinem Leben – eine formelle Kleidung in Form eines Sakkos.
Da ich kürzlich einige Schnittkonstruktionsbücher für Herrenbekleidung gekauft hatte, liegt es natürlich nahe, die Theorie in die Praxis umzusetzen. In den Grundzügen zum Erscheinungsbild des Sakkos waren mein Sohn und ich uns einig: Es sollte eine Slim-Fit-Form haben und nicht allzu lang sein, schwarz sein, ein Einreiher mit zwei bis drei Knöpfen und einem verkürzten Revers. Darüber hinaus gingen unsere Vorstellungen auseinander; ich hätte gerne etwas Pfiffigeres entworfen, er wollte einen Banker-Pinguin-Sakko. In Anbetracht des Materials und der Arbeit, und dass er sonst das Sakko auch nicht tragen würde, beugte ich mich den Wünschen meines Nachwuchses.
Schnitt erstellen
Nun habe ich ja schon einige Male einen Blazer für mich gemacht, ein Herren-Sakko allerdings noch nicht. Aus Erfahrung weiß ich, dass zwischen einem Grundschnitt mit individuellen Maßen und einer guten Passform reichliche Änderungen liegen. Zudem möchte ich dieses Sakko eher in traditioneller Art erstellen, im Sinne von Maßschneiderei, und nicht nach Konfektion. Das heißt: keine Bügeleinlage, sondern pikierte Einlagen.
Zunächst stehen aber erstmal das Vermessen von Sohnemann und der Grundschnitt an. Neben den normalen Maßen messe ich auch ein Teil der errechneten Maße, um sie mit den errechneten abzugleichen. Hinter der Konstruktion steht ein System, das in der Regel passt, aber eben nicht passgenau. Da ich, wie gesagt, noch kein Herren-Sakko gemacht habe, folge ich vorerst dem Grundschnitt, mache ein Probeteil und sehe, an welchen Maßen ich noch drehen muss.
Nachdem der Grundschnitt erstellt ist, überprüfe ich die Länge der Nähte und die Gesamtweite. Anschließend kopiere ich ihn (mit den wichtigsten Konstruktionslinien) und konstruiere das Revers und den Kragen.
Material
Bezüglich des Materials für die Einlagen stehe ich im Moment ein wenig auf dem Schlauch. Das Fachbuch hält sich da ziemlich bedeckt und unkonkret. Mein Stoffhändler ist zwar ein notorischer Sakkoträger, aber was das Innenleben angeht auch ziemlich ahnungslos. Da hilft nur das Internet. Bedingt jedenfalls. Nach einer ausgiebigen Recherche bin ich auf einen Stoffhandel gestoßen, der Rosshaareinlage führt und sich in erreichbarer Nähe befindet. Ansonsten sieht es in Bezug auf Herren-Sakko und deren Ausarbeitung echt dünn aus.
Bei meiner Suche bin ich auf ein schönes Video gestoßen, das ich euch nicht vorenthalten möchte. Ein Maßschneider am Werk, zeitlich gerafft aber Boah!
Erste Anprobe
Vorweg kann ich sagen: mache kein Probeteil für ein Sakko aus Nessel! Da lässt sich so gut wie nichts dressieren und einhalten. Der Fall des Stoffes ist auch für’n Eimer. Das einzige, was ich daraus gewonnen habe ist, dass das Sakko tatsächlich Slim-Fit ist, mit der Betonung auf slim. Hier passt das Rückenteil prima, aber im Brustbereich muss ein wenig Mehrweite rein. Die Ärmellänge ist auch im grünen Bereich. Diese Änderungen kann ich somit in den Schnitt übernehmen, muss aber trotzdem noch mal ein Teil in einem Wollstoff machen.
Ich könnte jedoch alternativ erstmal die Schulterpolster machen …