Wollstoff-Filz-Experiment

Es ist kalt. Eine gute Gelegenheit (wenn man denn von gut reden möchte) einen schönen warmen Filzrock zu nähen. Und wie der Zufall es so will, fand ich beim meinem Stoffhändler noch ein ausreichendes Reststück anthrazitfarbenden Wollstoffs. Er war aber nicht so fest, wie ich mir es gewünscht hatte. In Anbetracht der reichlichen 70 cm, überlegte ich mir, ihn in der Waschmaschine bei 40° zu waschen, in der Hoffnung, dass er ein wenig nachfilzt und fester wird. Das tat er auch, allerdings mit einer nicht unerheblichen Schrumpfung. Der Stoff hatte jetzt zwar genau die richtige Festigkeit, war aber auf knapp 50 cm eingelaufen. Das reicht mal gerade für einen Ultra-Mini-Rock, der mit Ach und Krach den Hintern bedeckt, für den Winter vielleicht nicht unbedingt das wärmende Kleidungsstück.

Aaaber, weil er so schön fest geworden war, kam mir die Idee, gleich lecker warme Filzjacken zu nähen. Also flugs den Bedarf ausgerechnet, die Schrumpfung berücksichtigt und nichts wie hin zum Stoffladen. Dort war man auch bereit einen weiteren Ballen Stoff zu bestellen, jedoch erstaunt, dass der Wollstoff eingelaufen war, bzw. sich verfilzt hatte, da er als, mit heißem Wasser vorbehandelt ausgezeichnet war. Egal, Hauptsache er wird wieder so, wie gewünscht.

So, und nun habe ich hier massig Wollstoff, den ich erstmal teilen muss, weil die Menge nicht komplett in die Waschmaschine passt. Daraus sollen eine Jacke für meinen Sohn, eine für den GöGa und eine für mich, inklusive eines Rocks, werden.


Rokoko-Kinderkleid Teil 4

Die bisher vielversprechende Optik des Kleides bekommt leider einen kleinen Dämpfer. Nachdem das Kleid noch die Chiffonrosen verpasst bekommen hat, ruht zusammen mit der Robe eine zu große Last auf dem Tüllrock. Der wird im Hüftbereich ordentlich platt gequetscht, so dass die ausladende Rokoko-Optik quasi nicht mehr vorhanden ist. Ein Panier finde ich für ein Kind zu sperrig, so dass eigentlich nur Poschen in Frage kommen, um die Form wieder herzustellen.

Die Poschen

Also erst mal ab in den Stoffladen und Plastikmiederstäbe besorgen – Nessel und Kordel habe ich noch vorrätig. Denn Schnitt kann ich jetzt nur anhand der Proportionen erstellen und hoffe, dass es stimmen wird. Wenn’s daneben geht, ist es zwar kein Beinbruch – aber ich hätte doch gerne einen geschmeidigen Ablauf.

An der Puppe sieht die Proportion stimmig aus und die Poschen halten auf jeden Fall das Kleid und die Robe aus. Da ich aber von dem gelben Stoff quasi nichts mehr habe, muss der Unterrock aus dem Tüllrock herausgetrennt werden. Eine lästige und aufwändige Sache, aber ohne den Unterrock drücken sich die Poschen deutlich durch.

Irritierend finde ich die ungleiche Lage der Poschen, aber trotz mehrmaligen Messens kann ich keine gravierenden Abweichungen finden. Ich schiebe das jetzt einfach mal auf die Puppe und hoffe, dass meine Nichte „gerader“ ist.

Den Saum der Robe nähe ich wieder mit der Hand (sehr meditativ!) und überlege mir dabei, wie die finalen Verzierungen ausfallen könnten.

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Rokoko-Kinderkleid Teil 3

Nachdem sich das Puppenproblem erledigt hat, geht es mit der Verzierung des Unterkleides weiter. Immer noch mit lockerer Orientierung an Madame de Pompadour kommen nun die Volants. Für die Länge der Volants rechne ich mit einmal der Breite des Rockes plus ca. einem Drittel der Breite, hier komme ich auf 4,5 Meter.

Der Große Volantstreifen hat spitze Bögen, die gleichmäßig auf die Breite verteilt angezeichnet werden müssen. Dann geht das Einkräuseln los – 4,5 Meter auf 3 Meter schön regelmäßig verteilen, anschließend auf den Rock stecken und festnähen.

Darauf kommt, in mühevoller Feinarbeit, in Streifen geschnittene Spitze, ebenfalls liebevoll gekräuselt, festgesteckt und genäht.

Und weil das Einkräuseln so schön ist, kommt über den großen Volant noch ein schmalerer, in Bögen verlaufender Volant. Dieser ist ca. 9 Meter lang und wird mich die nächsten Stunden beschäftigen. Das Stecken dieses Volants braucht ebenfalls viel Zeit um die Bögen gleichmäßig nach oben und unten verlaufen zu lassen. Als Vorlage habe ich mir eine Rolle Kreppklebeband genommen, deren Rundung mir in der Größe passend schien. Und welches Glück – mit einer minimalen Korrektur passten die Bögen auf die gesamte Rockbreite genau aufeinander! Mein Rücken hätte diese Steckorgie auch kein zweites Mal mitgemacht.

Die Robe

Für’s erste ist mein Bedarf an Einkräuseln gedeckt, auch wenn ich mir die Chiffonstreifen für die Rosen schon mal vorbereitet habe. Jetzt geht’s an die Robe, genauer gesagt, an das Futter der Robe. Bein Aufstecken der Schnittteile stelle ich fest, dass es trotz des geschenkten halben Meters ein wenig eng werden könnte. Eigentlich hatte ich für das Robenvorder- und Rückenteil einen Saum von 5 cm eingeplant; bei der jetzigen Lage müssen eben 2 cm reichen.

Aber zurück zum Futter: auf dieses wird das Vorder- und Rückenteil der Robe aufgesteckt. Im Rücken des Futters habe ich mir die Nahtlinie markiert, an der später die rückwärtige Robe genäht wird. Im Rücken der Robe werden die typischen Watteaufalten gelegt, und zwar so, dass sie genau bis zum Schulteransatz reichen. Die Falten werden nun mit Nadeln auf dem Bügelbrett fixiert und eingebügelt.

Nun werden die Seitennähte des Robenvorder- und Rückenteils bis zur Taille geschlossen. Die Seitennähte auch, die Mehrweite wird in der Taille seitlich in Falten gelegt. Die Falten werden in der Taille festgenäht. Beim Vorderteil lege ich an der vorderen Kante eine Falte als Kragen um und stecke die Robe an dem Futter fest.
Die hintere Halsausschnittkante wird mit einem breiten Stoffstreifen versäubert und an den Kragen des Vorderteils genäht. Jetzt ist ein wenig Handarbeit angesagt: das Futter wird gegen die Robe genäht und anhand der Markierung im Rücken das hintere Futter fixiert. Die vorbereiteten Ärmel einsetzen und das Futter ebenfalls gegennähen. Auf die Puppe gesteckt, macht die Robe schon einen recht guten Eindruck.

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Rokoko-Kinderkleid Teil 2

Die erste Anprobe lief super – das Oberteil passte wie angegossen und hatte noch Luft.
Der Tüllrock fand bei meiner Nichte besonderen Anklang, weil er beim Um-sich-selbst-drehen so schön hoch flog. Die ganzen Probeteile wollte sie bis zu meiner Abfahrt anbehalten und fühlte sich schon halb als Prinzessin. Was die Freude des Kindes angeht, so hätte ich hier schon fast aufhören können.

Überraschend viel Stoffbedarf für ein Kinderkleid

Aus der Anprobe ergaben sich nur geringfügige Änderungen, so konnte ich also loslegen um das Oberteil und das Futter für die Robe schon mal auszuarbeiten. Für die Robe selbst brauchte ich viiieeeel Papier.

Nachdem die Schnitte soweit stehen, ist der Stoffverbrauch besser einzuschätzen: Für das Unterkleid, hier gehe ich von 2x der Rockhöhe aus, plus Unterrock mit einfacher Rockhöhe, plus Volants und Miederteil kalkuliere ich 3,5 Meter, für die Robe ungefähr 2,5 Meter, das entspricht ca. der zweifachen Körpergröße. Überraschend viel Stoff, sechs Meter – mit soviel hatte ich nicht gerechnet! Außerdem brauche ich noch Spitze und einen Reißverschluss. Für das Unterkleid habe ich einen Taft in zartem Gelb ausgewählt und für die Robe einen bestickten, rot-gelb changierenden Taft. Da der bestickte Taft ein Reststück war, hat der langjährige Stoffhändler meines Vertrauens mir freundlicherweise knappe 3 Meter für 2,5 Meter gelassen. Von dieser Stelle aus noch mal meinen besten Dank!

Das Mieder

Erstmal bekommt der Tüllrock innen ein Taftfutter, damit die Strumpfhose nicht ständig am Tüll klebt. Dazu reicht die wenig verringerte Rockhöhe in einfacher Stoffbreite (1,50 m) aus. Tüll und Taft werden gerafft und mit einem langen Streifen aus Taft zusammengefasst; die Enden des Taftstreifens können zu einer Schleife hinten zusammengebunden werden. An den Seiten habe ich noch zwei Lagen aus Tüll übereinandergelegt, um die rokokotypische Rockform zu erreichen.

Als nächstes folgt das Mieder. Das habe ich doppelt zugeschnitten, so dass gleichzeitig auch ein „Futter“ vorhanden ist. Zudem gehe ich davon aus, dass das Rockteil besser gehalten wird, wenn das Futter innen gegen genäht ist. Zwischen Oberstoff und Futter wird am Ausschnitt ein Streifen gekräuselte Spitze eingesetzt.

Bezüglich der Verzierungen orientiere ich mich locker an dem Kleid der Madame de Pompadour, vom dem anzunehmen ist, dass es in seiner Fülle sehr vornehm war. Das Mieder wird hinten mit einem Reißverschluss geschlossen.

Der Rock

Das Rockteil wird schon ein wenig kniffliger. Die vordere Länge ist etwas kürzer als die seitliche Länge, bedingt durch das Mehrvolumen des Tülls. Hier habe ich für vorne und hinten jeweils eine Stoffbreite angesetzt. Neben der ungleichen Rocklänge muss zusätzlich noch die vordere und hintere Spitze des Mieders berücksichtigt werden. Dafür habe ich die Spitze bis zur Taillenlinie auf Papier gezeichnet und in gleichmäßigen Abständen auseinandergezogen, also so eine Art Falten eingezeichnet. Das habe ich auf den Stoff übertragen und an den Stellen den Stoff entsprechend eingekräuselt. Was über die Spitzen zur Seite hinaus geht, habe ich regelmäßig eingekräuselt und in Kellerfalten gelegt, bis es auf die Länge passte – ein ziemliches Gefummel, das Ganze. Nachdem das an das Mieder genäht war, war das Gegennähen des Futters vergleichsweise einfach. An dem Punkt muss ich mir beim nächsten Mal etwas Effektiveres einfallen lassen. Zumindest der Teil ist schon mal geschafft.

Die Puppe

Da tut sich nun das nächste Problem auf: Ich brauche eine Puppe, der ich das Kleid anstecken/überhängen kann. Nach einigem Sinnen bin ich auf die Idee gekommen mit Industriefilz (den ich zufälligerweise noch hatte) eine passende Hülle zu nähen und diese mit Bastelwatte (die ich zufälligerweise auch noch hatte) auszustopfen. Dazu einen alten Besenstiel und Maurerschnur, mit dem ich die Filzpuppe am Besenstiel befestige, das Ganze in den Ständer meiner Schneiderpuppe stecke – et voilá – fertig ist die Kinderschneiderpuppe! Die ist zwar keine Schönheit, hat aber den Vorteil, dass man etwas an die Puppe aufstecken kann.

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Rokoko-Kinderkleid Teil 1

Meine kleine Nichte hat das – fast unvermeidliche – Prinzessinnenfieber ereilt.
Meine Schwester kaufte ihr also ein Prinzessinnen-(Billig) Kostüm, das sich aber in innerhalb kurzer Zeit in Einzelteile zerlegte. Darauf hin fragte sie mich, ob ich Lust hätte der Kleinen ein Kleid zu nähen. Das war DIE Gelegenheit den schon länger gehegten Wunsch nach Erstellen eines historischen Gewandes umzusetzen.

Historische Authentizität vs. kindgerechte Kleidung

Bei der Wahl der Epoche schwankte ich zwischen Madame de Pompadour und Anna von Kleve ; beide Stile eigenen sich sehr gut für Prinzessinnenkleider, weshalb sie wohl auch oft in Märchenfilmen verwendet und teilweise auch kombiniert werden. Da ich aber lieber bei einem Stil bleiben wollte, fiel die Wahl auf die Madame de Pompadour – das Rokoko. Üppige, glänzende Stoffe mit viel Spitze und Rüschen, garniert mit ein wenig „Gold“ schien mir den Prinzessinnentraum am besten darzustellen.

Nun kann man aber heutzutage ein 4-5 jähriges Kind nicht in ein Schnürmieder stecken, ebenso wenig Teile der Kleidung mit Nadeln befestigen. Also musste vom Original abgespeckt und modifiziert werden, um die Optik zu erhalten, trotzdem das Kleid für ein Kind tragbar zu machen. Aus dem Schnürmieder und dem Stecker sollte ein zusammenhängendes Oberteil werden, an dem der Rock (jupe) angenäht werden sollte. Auch ein Panier fand ich für ein Kind schwierig zu handhaben, so dass ich stattdessen einen Tüllunterrock vorgesehen hatte. Die Robe sollte so original wie möglich gearbeitet sein.

Grundschnitt

Soweit die Vorüberlegungen. Aber erstmal tat sich ein ganz profanes Problem auf: meine Schwester wohnt nämlich knapp 40 km entfernt und häufiges Anprobieren fiel somit flach. Die notwendigen Maße musste ich also messen und mir durchgeben lassen. Als Schnittgrundlage habe ich in meinen noch vorhandenen Kinderschnittheften ein einfaches Modell gefunden.

Anhand der Maße und unter Vorlage meines Fachbuches für historische Schnitte, habe ich den Grundschnitt so abgewandelt, dass in der Form ein Rokoko-Oberteil entstand.

Mit dem modifizierten Schnitt habe ich ein Probeteil in Nessel genäht und bereits den Tüllunterrock gefertigt.

Damit geht’s jetzt zur ersten Anprobe.

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