Herrenhemd mit Designerkragen
Es ist ja nicht immer einfach einen Mann modisch einzukleiden. Noch schwieriger wird es, wenn er schon im gesetzten Alter ist und die Tragegewohnheiten sich verfestigt haben. Ich habe es trotzdem versucht – mit einer überschaubar kleinen Dosis Mode.
Hemden in Slim-fit sind ja gerade in, das bringt allerdings beim Herrn im mittleren Alter so seine Probleme mit sich, vornehmlich in der Körpermitte. Die erste Anforderung an den Schnitt ist Mehrweite für den Bauch zu schaffen, ohne in die Zeltkonstrukte für den „Bauchtyp“ zu verfallen, denn – das muss ehrlicherweise gesagt werden, sooo dick ist der Bauch auch wieder nicht. Die zweite Anforderung liegt in der Haltung, die ein wenig von der Norm abweicht: der obere Rücken und die Schultern sind ein bisschen gerundet und es fehlen am Saum so circa 3 Zentimeter. Die dritte Anforderung ist recht einfach zu lösen, da auf Grund der Körpergröße nur die Gesamtlänge des Hemdes und die der Ärmel etwas gekürzt werden müssen.
Die weiteren Anforderungen bestehen aus den persönlichen Wünschen des Hemdempfängers. Der Kragen soll bitte nicht zu eng sein, obwohl der oberste Knopf sowieso nicht geschlossen wird, da der Träger ein hartnäckiger Krawattenverweigerer ist. Gut, also Kragenweite wird um 1 Zentimeter raufgesetzt. Und die Manschetten, die dürfen auch nicht so eng sein. Die werden zwar geschlossen, aber dürfen eben nicht so eng sein, egal, ob die Manschette über die halbe Hand hängt.
Der Stoff ist gewaschen und gebügelt und wartet seit geraumer Zeit auf seine Verarbeitung, es kann also los gehen.
Schnittentwicklung
Mit den individuellen Maßen stelle ich einen schmalen Hemden-Grundschnitt auf. Als nächstes korrigiere ich den Schnitt, um den Haltungsfehler auszugleichen, indem ich im oberen Rückenbereich die Höhe erweitere. Dies geschieht keilförmig, so dass der Armausschnit nicht von der Erweiterung berührt wird. Der Schulterabnäher vergrößert sich zwar durch diese Maßnahme, verschwindet aber, weil zusammengelegt, in der Passe.
Erst jetzt kann ich das Vorder- und das Rückenteil mit Teilungsnähten versehen, die von der Schulter bis zum Saum verlaufen. Im Vorderteil gebe ich im unteren Bereich der Teilungsnähte ein wenig Mehrweite rein, um dem Bauch Platz zu geben; hinten ebenfalls, insgesamt aber weniger, schließlich ist der Bauch ja vorne.
Zuschnitt
Kragen nähen
Wie ein Herrenhemd grundsätzlich zusammengenäht wird, habe ich bereits in meiner Mini-Serie „Herrenhemd Teil 1 und Teil 2“ beschrieben. Insofern werde ich mich hier auf die Abweichungen beschränken.
Wenn ich noch einmal so eine Art Kragen nähe, werde ich versuchen erst die Einlage aufzubügeln und dann zu nähen. Mal sehen, ob das besser geht.
Entscheidend ist jedoch, dass die Einlage nicht über die Nahtzugaben gebügelt wird, da das vorne immer zu sehen ist.
Hemdärmel einsetzen
Einen kleinen Kniff hätte ich noch: Bei der klassischen Verarbeitung wird der Hemdärmel innen mit einer Kappnaht versäubert. Das Umlegen der Nahtzugabe ist gerade an der Armkugel und der Schulter nicht so leicht.
Fertigstellung
Der Herr ist zufrieden, das Hemd trägt sich angenehm.
Jetzt liegt hier ja noch ein Hemdenstoff und wartet auf die Verarbeitung. Ideen hätte ich ja schon, alleine, sie müssen auch vom Empfänger gelitten sein. Einen kleinen Schritt zu mehr Mut zur Mode sind wir ja jetzt schon gegangen.
Sommerkleid aus zweierlei Leinen
Dieses Kleid ist eine etwas freiere Arbeit, in der ich zwei verschiedene Leinenstoffe, einem sehr dünn gewebten, transparenten und einem etwas fester gewebten, verwenden möchte.
Den dünn gewebten Leinen hatte ich letztes Jahr zu einer Rokoko-Chemise verarbeitet, aber nicht vollendet, weil der Stoff so dünn ist, dass die Auszier, die Spitze, daran nicht richtig gehalten hat – sie war einfach zu schwer. Also hatte ich neuen Leinen gekauft, der mir dann aber wieder zu dicht gewebt war und so wanderte er in meine Vorräte. Letztlich hatte ich noch einen weiteren bestellt, der genau richtig war und aus diesem die Chemise gemacht.
Der erste bot noch reichlich Material, aber nicht genug für ein anderes Kleid, das ich in Planung hatte. Vom zweiten hatte ich drei Meter, also mehr als genug. Einen fertigen Schnitt gibt’s keinen.
Die Idee: Ein Kleid, das aussieht, als bestünde es aus einem Oberteil mit Latz und einem Rock, also zwei- bis dreiteilig, tatsächlich aber nur ein Teil ist.
Aus dem dünnen Leinen soll eine Art Shirt werden und ein Mittelteil, das Oberteil und Rockteil miteinander verbindet. Aus dem festeren Leinen werden ein Latz und ein Rock.
Schnittentwicklung
Ich starte mit meinem persönlichen Grundschnitt und entwickle daraus einen passenden Schnitt. Das Oberteil ist zerlegt in das Shirt, den Latz und das Mittelstück. Den Rock werde ich separat zeichnen.
Im Vorderteil habe die oberen Brustabnäher zusammengelegt, bzw. in die Seiten verlegt, vorerst. Der obere Teil ist für das Shirt und bedarf keiner weiteren Abnäher. Der mittlere Teil ist der „Latz“. Da habe ich den Seitenabnäher dann doch wieder nach unten verlegt. Der untere Teil ist das Zwischenstück von Ober- und Rockteil. Die schmalen Dinger sind die Belege für den Latz.
Biesen nähen
Bevor es jetzt an den Zuschnitt geht, muss ich noch einige Vorbereitungen treffen. Das Mittelteil aus dem dünnen Leinen soll in der Längsrichtung Biesen bekommen. Dafür habe ich mir Baumwollstrickgarn besorgt. Das habe ich auf Maß geschnitten und muss nun die einzelnen Garnabschnitte schön, Linie für Linie, mit einer Zwillingsnadel unter den Stoff bringen.
Ich hatte ja erst vor, die Biesen im Taillenbereich enger zusammen laufen zu lassen. Aber nach einer Probe auf einem Reststück habe ich mir das geschenkt, weil sich der Stoff unheimlich schnell verzieht und ein korrektes Arbeiten somit nur einer massiven Selbstgeißelung gleichkommt. Also verzichte ich auf die Abnäher im Taillenbereich und nähe die Streifen gleichmäßig unter.Das Mittelteil mit den Biesen konnte ich noch aus einem Reststück arbeiten. Es lohnt sich doch, Reste aufzuheben!
Aber für die anderen Teile aus dem dünnen Leinen musste ich meine Chemise zerlegen. Eine wirklich „dankbare“ Aufgabe: Handgenäht, mit feinen Stichen und einem Baumwollgarn, das sich kaum von den Leinenfasern abhebt. Da weiß ich, warum ich meine eigenen Sachen so ungern trenne.
Das Biesenteil habe ich noch mal sorgfältig gebügelt und versucht Kette und Schuß wieder auf Linie zu bringen. Dann habe ich die Schnittteile vorsichtig aufgesteckt um nichts zu verziehen, eine Hälfte mit Nahtzugaben geschnitten, die Schnittteile umgedreht, wieder gesteckt und die andere Hälfte geschnitten. Die Ärmel gingen auch aus dem Reststück raus.
Der feine Leinen in Bearbeitung
Die Schulter- und Seitennähte habe ich als Kappnähte gearbeitet: erst mit der Maschine zusammengenäht und dann mit der Hand die Kappnähte genäht. Der Stoff ist von der Webart nur wenig dichter als Mull, da habe ich das Material mit der Hand einfach besser im Griff. Die Ärmel sind mit einer französischen Naht angesetzt, da gingen beide Nähte mit der Maschine. Den Halsausschnitt habe ich mit einem Schrägstreifen aus dem Leinen eingefasst: auch hier ist die erste Naht mit der Maschine gemacht und der Rest mit der Hand.
Fertigstellung des Oberteils
Der Latz ist im Zuschnitt schon einfacher. Zusätzlich noch schneide ich noch vier Streifen für die Träger zu. Diese Teile kann ich jetzt auch mit der Maschine nähen, da geht es schneller voran. Ich bin ja auch selbst immer sehr neugierig, was nachher rauskommt – das ist eigentlich der Hauptgrund, warum ich nähe.
Erste Anprobe
Von der Weite her ist es okay, aaaber …
Punkt 1: die Träger sind zu lang – das ist kein Problem, die können eingekürzt werden.
Punkt 2: dieser D-Ring-Verschluß gefällt mir nun gar nicht.
Punkt 3: der Latz ist noch zu durchsichtig – Futter oder Doppeln? Ich tendiere zum zweiten.
Punkt 4: Proportional finde ich den Latz zu kurz.
Punkt 5: Laaangweilig! Öööde! Eingeschlafene Füße!
Die letzten beiden Punkte sind die entscheidenden Argumente, den Latz anders zu gestalten: er muss peppiger werden, länger und gedoppelt. Mit den Trägern bin ich etwas uneins mit mir: Vorne kürzere Träger und dann mit den hinteren verknoten? Oder Schiebeschnallen? Clips?
Wobei die Verschlussart erstmal nicht so wichtig ist, diesen Punkt kann ich getrost auf später verschieben. Die Länge zu ändern ist auch nicht die Sache, das ist recht simpel. Die Frage ist: wie kann das Oberteil interessanter werden?
In Bezug auf den Latz habe ich also die Puppe angestarrt, meinen Geist geöffnet und schweifen lassen, Inspirationen gesucht und bin zu einem Ergebnis gekommen. Frei nach dem Motto: „Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht“ den Latz-Schnitt noch mal neu gemacht und nach unten um 4 cm verlängert.
Da ist jetzt puzzeln angesagt.
Ich habe die Fläche mehr oder weniger willkürlich unterteilt. Dabei kann ich die Brustabnäher auch schön in alle möglichen Richtungen verteilen – ich finde, das formt die Brust auch etwas weicher als ein einziger Abnäher. Der neue Plan ist ein „Flicken“-Werk im Used-Look, der sich sehr gut mit dem Material Leinen verträgt. Dieses Prinzip würde ich dann auch auf den Rock übertragen.
Da mach‘ ich mich mal ans Zuschneiden … Die Methode ist jedenfalls bestens geeignet, um auch Zuschnittreste zu verwerten.
Ich hatte mir vor dem Stecken die „Puzzleteile“ so hingelegt, wie sie zusammengehören. Beim Zuschnitt haben die Außenkanten 1 cm Nahtzugabe, die Kanten, die aufeinander treffen nur 0,5 cm. Nach dem Zuschnitt ist jedes Teil wieder dort hingekommen, wo es hingehört. Für das Zusammennähen konnte ich auch nur Stück für Stück vorgehen. Dafür habe ich Markierungen an den Stellen gemacht, die aufeinander liegen.
Jetzt kann der alte Latz von Shirt und Mittelteil getrennt werden, die neuen Latzteile hatte ich für die Ansicht nur drüber gesteckt.
Die Belege für den Latz hatte ich zunächst gegen genäht und nach innen umgeschlagen. Das sah aber doof aus. Also habe ich die Belege wieder abgetrennt, von innen gegen gelegt und die Kanten ebenfalls mit einem Zick-Zack-Stich verbunden. Den Überstand an „Nahtzugabe“ habe ich ausgefranst. Das ergab einen einheitlicheren Look.
Der Oberrock
Nun geht es an die Konstruktion des Rockes. Ein bisschen bauchig soll er sein und darunter soll noch ein weiteres, glockig geschnittenes, Rockteil kommen.
Eine weitere Frage ist die der Taschen. Ich brauche Taschen: für Zettel, Schlüssel oder mal ein Taschentuch. Erst hatte ich mir gedacht, die Taschen in die Seitennaht zu legen und auch darüber gesonnen, wie ich das mit zwei Lagen Rock bewerkstelligen soll. In Anbetracht dessen, dass der Oberrock sowieso ein „Flickenwerk“ wird, werde ich aber aufgesetzte Taschen machen. Damit ist dieser Punkt auch schon geklärt.
Was bei dem Latz noch als Puzzle zu bewältigen war, erweist sich beim Rock schon als echte Herausforderung. Da einige Teile nicht direkt zusammenpassen, müssen sie „päckchenweise“ zusammen genäht werden, also mit reiner Willkür würde das Zusammensetzen schwierig. Im Grunde muss eine gewisse horizontale und vertikale Ordnung vorhanden sein. Meine fertigen „Päckchen“ lege ich schön ordentlich auf die Schnittteile, damit bloß nichts durcheinander kommt bis zum finalen Zusammennähen.
Nachdem nun alle „Flicken“-Teile genäht sind, werden die Seitennähte geschlossen. Die lege ich, wie die Flicken, übereinander und verbinde sie mit einem Zick-Zack-Stich; die Kanten werden wieder ausgefranst.
Zweite Anprobe
Die abgetrennten Stücke aus dem Oberteil, Shirt und Mittelteil, verbinde ich mit dem Latz und dem Rock, zunächst nur mit Heftgarn. Bei der zweiten Anprobe geht es um die Passform. Wie zu erwarten, wirkt sich die Verlängerung des Latzes um 4 cm auf die Taillenlage aus. Das Mittelteil muss nach oben um eben diese 4 cm eingekürzt werden, damit die Taille wieder an der richtigen Stelle sitzt. Diese Mehrlänge mit den Nadeln eingehalten, lässt den Rock knapp oberhalb der Hüfte sitzen, was soweit auch geplant war.
Es folgt noch ein kleiner Gimmick: Mit einem Reststück des dünnen Leinens greife ich die Biesen aus dem Mittelteil nochmals auf und fertige einen asymmetrischen Rand für den Rock. Nach dem Prinzip des Cut-Outs positioniere ich den Rand auf dem Rock, schneide den so bedeckten Teil des Rockes weg und füge den Rand stattdessen an.
Fertigstellung
Es fehlt noch die Tasche; die wird mit einem Zick-Zack-Stich aufgesetzt und die Kanten wieder ausgefranst. Schwierig wurde dagegen die Entscheidung der Art des Verschlusses an den Trägern. Ich hatte die Auswahl zwischen diversen Knöpfen, Clips und auch Leiterschnallen, aber keines war wirklich überzeugend. Letztlich habe ich mich entschieden, die Träger mit groben Stichen vorne anzunähen. Da sie nur eine dekorative Funktion haben, fand ich das, in Bezug auf den Gesamteindruck des Kleides, eine passende Lösung.
Insgesamt war es viel Arbeit und mein Bedarf an Patchwork ist für nächste Zeit mehr als gedeckt. Die Kombination von zwei verschiedenen Leinenstoffen mit Biesen und Flicken ergeben eine interessante Optik, die reichlich Potential für unterschiedliche Kleidungsstücke bietet.
Voodoo-Nadelkissen
Seit ich vermehrt an der Schneiderpuppe arbeite, geht es mir immer mehr auf den Senkel ständig nach den Stecknadeln zu fingern. Die liegen in einem Porzellantöpfchen und das steht meistens da, wo ich gerade nicht drankomme. Na ja, jedenfalls oft genug. Da böte es sich an, endlich einmal ein Nadelkissen für das Handgelenk zu machen.
Nun könnte man das Teil rein funktional rund gestalten, so ganz ohne Schnickschnack. Wegen der Nadeln folge ich aber meiner spontanen Assoziation und entscheide ich mich für ein Voodoo-Nadelkissen.
Entwurf und Schnitt
Der Entwurf ist nur ein grober Leitfaden für den Schnitt. Der Schnitt wird von konkreten Maßen bestimmt. Also kommt jetzt erstmal ein bisschen Theorie. Die Grundfläche ist im Entwurf schon bestimmt. Hier brauche ich den halben Umfang (grau gestrichelt). Nun gilt es das „Oben“, das ja noch nicht da ist, zu vermessen. Das Bild veranschaulicht den Weg: Ich lege eine maximale Höhe fest, hier 4,5 cm. Über diesen Punkt laufen die Kurven in Längs- (blau) und Querrichtung (rot), die die dreidimensionale Form bilden. Die Strecken der Kurven ergeben die Maße, die ich für den Schnitt brauche.
Die Grundfläche habe ich von der Skizze auf mein Konstruktionspapier übertragen und eine Mittellinie eingezeichnet. Die beiden Hälften werden vermessen – die Werte stehen an der Seite. Da die Fläche nur so aus der Hand gezeichnet ist, ergibt sich eine kleine Abweichung von 2 mm, die ich einfach ignoriere und 11,5 cm als Maß nehme. Der Querstrich soll in etwa die Position des Mundes markieren.
Der halbe Umfang der Fläche wird auf einer geraden Linie markiert. Die Strecke von der Mittellinie bis zum „Mundwinkel“ von rechts nach links abgetragen. Von diesem Punkt aus zeichne ich eine Senkrechte nach oben und zwar mit den vorher festgelegten 4,5 cm. Da das Seitenteil an die Fläche angenäht wird und die Fläche gerundet ist, zeichne ich die Basis auch ein wenig rund. Die Strecke Höhe-nach-rechts trage ich ein wenig oberhalb ab; die Strecke Höhe-nach –links ebenfalls. Die neuen Punkte werden mit einem Kurvenlineal verbunden. Über die Höhenlinie ziehe ich von links nach rechts einen Bogen. Dieser Bogen wird nachgemessen und ist länger als die theoretisch ermittelte Strecke „Blau“.
Die Mehrlänge nehme ich als Keil aus dem Seitenteil. Das ist auch insofern sinnvoll, damit das Nadelkissen nicht in der Form eines Hausdachs endet, sondern oben in einer kleinen Fläche ausläuft. Außerdem wird für den „Mund“ ein Extraschnittteil benötigt. Die Strecke am Keil entspricht der halben Strecke „Rot“.
Nun wird es Zeit, diesen Schnitt zu überprüfen. Aus einem Reststück nähe ich die Teile zusammen und stelle fest, dass die Naht des „Mundes“ nicht in der Waagerechten aufeinander trifft, sondern eher über Eck kommt. Das korrigiere ich in dem Schnitt. Dort wo der Pfeil ist, muss die Linie aus dem Keil ungefähr im rechten Winkel an die obere Linie stoßen. Das Stück, das dabei wegfällt muss auf der anderen Seite des Keils natürlich wieder dazu gegeben werden.
Das war bis jetzt alles sehr technisch und ich hoffe, die Erklärungen waren einigermaßen nachvollziehbar. Nun kommt aber endlich der praktische Teil.
Zuschnitt
Vor dem Zuschnitt vorab noch die Materialliste:
– Stoffstück, ca. 20 x 40 cm
– Stoffstück, Rest für die Augen
– Klebeweb zum Aufbügeln für Applikationen, Rest für die Augen
– Aufbügelbare Gewebeeinlage, ca. 10 x 30 cm
– Etwas Bastelwatte zum Füllen
– 4 cm Klettverschluss
– Garn zum Nähen
– Dickes Garn zum Sticken
Der Stoff für das Nadelkissen sollte eher dicht gewebt sein und ein bisschen Stand haben.
Ich möchte vorweg noch bemerken, dass die Ausgestaltung des Gesichts nur ein Vorschlag ist. Wer dieses Nadelkissen nachnähen möchte, kann da seiner Phantasie freien Lauf lassen.
Ein bisschen Messen ist nun ist doch noch nötig, um den Handgelenkumfang zu ermitteln. Das Maßband wird um das Handgelenk gelegt und der Umfang gemessen, dem Maß werden noch ca. 4 cm zugegeben. Beispiel: Der Gelenkumfang beträgt 16 cm, plus 4 cm Zugabe ergeben insgesamt 20 cm. Die Zugabe ist für den Klettverschluss, der ja übereinander gelegt wird.
Zunächst zeichne ich für das Armband zwei Rechtecke von 20 x 4 cm, plus rundherum einer Nahtzugabe von einem Zentimeter, also 2x 22 x 6 cm auf das Stoffstück. Aus der Gewebeeinlage schneide ich zwei Stücke von 4 x 20 cm, also ohne Nahtzugabe.
Die Einlage bügle ich auf den Stoff, die Nahtzugaben werden natürlich nicht mit Einlage verstärkt.
Auf den schwarzen Stoffrest bügle ich ein Stück von dem Klebeweb. Beide Stoffstücke müssen nun ungefähr 20-30 min. auskühlen.
Danach zeichne ich die Augen auf das Trägerpapier des Klebewebs. Die oberen Teile des Nadelkissens, Teil A und Teil B werden doppelt benötigt, die Basis nur einfach. Die Teile A, B und C werden mit 1 cm Nahtzugabe zugeschnitten. Für die Basis muss noch ein Stück Gewebeeinlage ohne Nahtzugaben zugeschnitten werden. Die Gewebeeinlage wird auf die Basis gebügelt und muss auch auskühlen.
Um nachher beim Nähen nicht durcheinander zu kommen, ist es ganz gut, auf den Teilen A und B die Kanten zu markieren, die aneinander genäht werden müssen, bspw. mit Punkten oder Kreuzen.
Nähen
In der Zwischenzeit werden die Armbänder zusammen gesteckt, die Einlage liegt auf beiden Seiten außen. Die Streifen werden an der Kante der Einlage zusammengenäht. An der langen Seite sollte eine Lücke von ca. 6 cm offen bleiben. Die Ecken werden schräg eingekürzt, aber dabei sollten an der Ecke selbst noch ca. 2 mm stehen bleiben, sonst franst die Ecke beim Umdrehen aus.
Das Armband wird durch die Öffnung gewendet, also das Innen wird nach außen gedreht. Die Ecken werden dabei vorsichtig(!) herausgearbeitet. Die Kanten an der Öffnung müssen nun 1 cm nach inne geschlagen werden und mit der Restnaht eine gerade Linie bilden. Die Öffnung zustecken. Das Armband kann nun rundherum abgesteppt werden.
Den „Kopf“ stülpe ich mit der Innenseite nach außen über das gefaltete Armband. Die Mittelnaht sollte mit der Markierung der oberen Mitte auf der Basis übereinstimmen und wird dort festgesteckt. Dann wird die hintere Mittelnaht auf die hintere Markierung der Basis gesteckt. Danach kann der Rest der Kanten gesteckt werden. Eine Öffnung von 4-5 cm sollte zum Wenden frei bleiben.
Fertisch!
Hier noch die Downloaddatei mit dem Schnitt:
Voodoo-Nadelkissen (200 kb)
Kleid mit Spitze Teil 2
Der Schnitt steht, also kann nun zugeschnitten werden.
Zuschnitt
Bei dem Anblick dieser Schnittaufteilung dürfte wohl jeder anständige Schneider aufjaulen: Die Schnitte laufen ja entgegengesetzt! Zugegeben, innerlich habe ich mich auch ein bisschen gewunden, aber so ist das, wenn man seit Jahren Stoffe auf Vorrat hat: die Menge ist begrenzt, ein Nachkauf quasi unmöglich.
Ich habe mir aber das Muster genau angeschaut und festgestellt, dass die Blumenranken horizontal wellenförmig verlaufen. Insofern ist es nur schwer festzustellen, ob ein Teil auf dem Kopf steht oder nicht. Trotz der „kreativen“ Schnittaufteilung war es doch seeehr knapp mit dem Stoff, zumal der Fadenlauf doch eingehalten werden sollte. Zweimal musste ich alles wieder losmachen und neu verschieben. Von den empfohlenen, großzügigen 1,5 cm Nahtzugaben rede ich an dieser Stelle besser nicht. In diesem Fall wurde nicht ein Fitzelchen Stoff verschwendet.
Als Nächstes habe ich alle Teilungsnähte versäubert und zusammen genäht. Immer schön der Reihe nach, um bloß kein Teil zu vertauschen. Den Bruch für die „Klappen“ habe ich mit Reihgarn markiert. Und weil ich nun mal neugierig bin, habe ich Vorder- und Rückenteil an die Puppe gesteckt, um einen ersten Eindruck zu erhalten.
Spitzenoberteil nähen
Die Seiten- und Schulternähte habe ich mit einer französischen Naht geschlossen. Das wäre jetzt nicht unbedingt nötig gewesen, zusammennähen und mit der Overlock versäubern hätte auch ausgereicht. Ich wollte es aber ein bisschen feiner haben. Die Ärmel habe ich allerdings dann doch mit Naht und Overlock gemacht, eine französische Naht wäre zu knubbelig geworden, vor allem unter dem Arm.
Die Kanten am Ausschnitt und Ärmelsaum habe ich knappkantig zweimal umgeschlagen und mit der Hand gesäumt. Die Kanten sehen so viel schöner aus und fallen auch besser, als wenn sie mit der Maschine genäht wären.
Das Oberteil ist soweit vorbereitet und nun geht es wieder mit dem Kleid weiter.
Verdeckter Reißverschluss
Aber egal, ob man mit der Maschine oder mit der Hand näht: Man sollte sich mehrere Markierungen auf beiden Seiten der Nahtkanten machen, um sicher zu stellen, dass der Reißverschluss gerade eingesetzt wird. Da verzieht sich gerne mal eine Seite, das gibt dann nachher unschöne Falten beim Tragen.
Kantenabschluss und Träger
Als Kantenabschluss und Verbindung von Kleid und Oberteil schneide ich aus dem kümmerlichen Rest Stoff Schrägstreifen zu.
Die Schrägstreifen habe ich mal an die Kanten angelegt, um zu zeigen, wie sie verlaufen sollen. Ein Streifen geht von der Spitze der vorderen „Klappe“ bis zur Spitze der hinteren „Klappe“. An der anderen Seite der Spitzen steht ein längeres Stück Schrägstreifen als Träger/Bindeband ab, bevor die „Klappen“ eingefasst werden. Dieses Schrägband geht auf der anderen Seite des Kleides von einer Spitze zur anderen.
Das Oberteil und die Heftfäden habe ich vorerst wieder entfernt. Den Schrägstreifen stecke ich von innen an der oberen Kante an und nähe sie fest. Der Schrägstreifen wird nach oben gebügelt und umgeschlagen. Nun wird das Oberteil wieder passgenau angeheftet. Den Schrägstreifen stecke und nähe ich und fasse dabei auch das Oberteil mit.
Der Verlauf des Trägers ist bei dieser Detailansicht auch gut zu sehen. Am Ansatz der oberen Spitze wird die Kante der Gegenseite mitgefasst, es braucht also kein Extrastück für den Träger angesetzt werden. Theoretisch könnte man es auch umgekehrt machen, es wäre sogar besser, dafür haben aber meine Stoffreste nicht mehr gereicht, um ein so langes Stück Schrägband zu erhalten.
Nach diesem Schritt können alle Heftfäden entfernt werden.
Spitzensaum
Zum Schluss bleibt noch der Saum des Kleides. Der soll so aussehen, als ob zwei Kleider übereinander getragen werden. Bei einer nochmaligen Anprobe hat sich eine Saumhöhe von 6 cm ergeben. Das Stück Spitze, das darunter hinaus ragt, soll in etwa dieselbe Höhe haben. Ich schneide also zwei Streifen (eins für vorne, eins für hinten) Spitze von ca. 12,5 cm zu. Die obere Kante versäubere ich einfach mit der Overlock. Die untere Kante wird mit einem Rollsaum versäubert. Dabei dehnt sich das Material ein wenig und legt schöne Wellen.
Nun messe ich jeweils die Länge des vorderen und des hinteren Saums und schneide die Spitzenstreifen entsprechend zu. Die Seitennähte werden, wie bei den Abnähern am Oberteil, übereinander gelegt und zusammengenäht. Danach stecke und nähe ich den Spitzensaum von vorne an die Saumkante des Kleides. Der Kleidersaum wird nach innen umgelegt und rundherum mit einem Saumstich befestigt.
Während des Nähens war traumhaft schönes Wetter: die Sonne schien und es war angenehm warm. Kaum dass ich mit dem Kleid fertig war, fing es an zu regnen und die Temperaturen gingen für die folgenden Tage in den Keller. Nicht unbedingt die allerbesten Voraussetzungen, um ein Sommerkleid zu fotografieren.
Die Fotosession haben wir dann beim erstbesten warmen Tag im Wald nachgeholt und hier ist nun mein Kleid in verschiedenen Ansichten und Variationen:
… und noch Detailansichten:
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Kleid mit Spitze Teil 1
Zum Jahreswechsel hatte ich mir vorgenommen mehr Kleider für mich zu nähen. Nachdem ich bei unserem Umzug zahlreiche Kisten mit Stoffen geschleppt hatte, wird es Zeit mal aus diesem Fundus zu schöpfen. Herausgefischt habe ich eine Ton-in-Ton-Kombination aus einem, mit Blütenranken bestickten, dunkelblauen Kattun und einem dunkelblauen Spitzenstoff.
Da der Kattun relativ fest ist, eignet er sich nicht für „kleinere“ Kleidungsstücke wie Blusen oder Hemden. Selbst für einen Rock wäre er noch zu steif. Vorstellen könnte ich mir ihn allerdings als eine leichte Sommerhose oder als ein bauchiges Kleid.
Schnittentwicklung
Die Schnittentwicklung startet mit dem Grundschnitt, den ich mit dem Kopierrad auf einen neuen Bogen Papier übertrage.
Da der Grundschnitt nur bis zur Hüfte reicht, verlängere ich die Linien bis zur gemessenen Saumkante. Von der Saumkante messe ich nach oben den Abstand ab, bis wo das Rockteil ausgestellt sein soll. Unterhalb dieser Linie wird die Weite bis zum Saum gerade fortgeführt. So entsteht die „bauchige“ Form des Kleides.
Im oberen Bereich ist das Kleid körperbetont, deshalb werde ich Teilungsnähte machen. Da der Entwurf sowohl für das Vorder- als auch für das Rückenteil einen asymmetrischen Ausschnitt vorsieht, muss ich jedes Teil extra zeichnen – ich kann somit nicht über die vorderen und hinteren Mitten spiegeln.
Linienführung mithilfe der Schneiderpuppe
Der vordere Ausschnitt war zeichnerisch schwer zu erfassen, jedenfalls war ich mir nicht sicher, ob er letztlich so geführt ist, wie ich ihn vorgesehen hatte. Also habe ich ein halbes Kleid in einem Billigstoff zugeschnitten und zusammen genäht. Meine „It’s me“- Schneiderpuppe bekam mit einem schmalen Band die Haupthilfslinien verpasst.
Auf dem Stoff habe ich ebenfalls die Hilfslinien eingezeichnet, so dass ich das Kleid genau an diesen Linien an der Puppe feststecken kann. Mit einem Bleistift habe ich den Verlauf des Ausschnittes eingezeichnet. Da es ja nur ein halbes Kleid ist, liegen die Ausschnittlinien beider Seiten übereinander.
Verlegen der Abnäher
Hier sind die vorderen Schnittteile, einschließlich des Belegs für die vordere „Klappe“. Dort habe ich den Brustabnäher in die Seite verlegt, um einen einteiligen Beleg zu erhalten – mir wäre es zu steif gewesen, wenn dort zwei Teilungsnähte aufeinander lägen. Den Taillenabnäher auf dieser Seite habe ich ein wenig verkürzt, er endet unterhalb der Brust.
Nur den vorderen Brustabnäher musste ich behalten, allerdings habe ich ihn in drei kleine Abnäher aufgeteilt. So müsste die Formung unter der Brust ein wenig weicher und natürlicher ausfallen.
Nach dem grundsätzlichen Verlegen der Abnäher spiegle ich die jeweiligen Hälften zu einem ganzen Vorder-, bzw. Rückenteil. Jetzt wird die Linienführung aus dem Kleid auf die Oberteile übertragen.
Das Oberteil endet auf den Seiten mit den umklappbaren Teilen im Bruch der „Klappe“ und ist insofern schräg geschnitten. Die andere Seite wird an den Oberstoff angesetzt, was an den Aussparungen gut zu sehen ist.
Der Ärmel soll kurz sein, so um die 6-7 cm lang. Damit er beim Tragen nicht zu eng ist und beim Heben des Arms nicht gleich das ganze Kleid mit hochzieht, muss er am Saum erweitert werden. Dazu habe ich den Ärmel in einige Segmente unterteilt und fächerförmig auseinander gezogen.
Entgegen des Entwurfs habe ich mich entschieden, die klappbaren Oberteile von der linken auf die rechte Seite zu verlegen. Das hat zwei Gründe: zum einem kommt in die linke Seitennaht ein Reißverschluss, das geht mit dem Baumwollstoff leichter als mit der Spitze. Und ist auch haltbarer. Zum anderen trage ich meine (Umhänge-)Tasche über der Schulter von links nach rechts. Hätte ich das Kleid strikt nach dem Entwurf gemacht, so hätte der Knoten von den Bändern unter dem Taschengurt gelegen und gedrückt. Da habe ich doch lieber bequem!
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Buchbesprechung "Draping"
Seit geraumer Zeit bin ich auf der Suche nach einem guten Buch zum Drapieren an der Schneiderpuppe. Es gibt da zwar etliche Bücher am Markt, die mit der Methode werben, aber nur fertige Modelle mit Schnitten bieten. Die Methode selbst und die Grundlagen werden dort nicht behandelt. Das kommt zwar meiner Neigung zu schnellen Ergebnissen entgegen, die Erfahrung hat mir aber gezeigt, dass man nach anfänglichen Erfolgen (Anfängerglück) oft auf die vernachlässigten Grundlagen zurückgeworfen wird.
Bei meiner Recherche bin ich auf das Buch „Draping. Art and Craftsmanship in Fashion Design“ gestoßen, das inhaltlich meine Anforderungen zu erfüllen schien. Auf Grund der verfügbaren Informationen habe ich es bestellt und nun liegt es hier.
Vorbereitungen für das Drapieren
Die beiden Autoren, Annette Duburg und Rixt van der Tol, beginnen nach einer ausführlichen Einleitung in die Thematik mit den Grundlagen. Hierbei geht es um die Auswahl einer Schneiderbüste, die Beschaffenheit des optimalen Stoffes, das notwendige Material, richtiges Maßnehmen sowie die Vorbereitung der Puppe für das Drapieren durch Anbringen der wichtigsten Hilfslinien. Die Vorbereitungen beschränken sich nicht nur auf die klassische Büste, sondern umfassen auch eine Hosenbüste.
Interessant fand ich die Erstellung eines Armes, der bei Bedarf an die Puppe gesteckt werden kann, um auch Ärmel zu formen. Ausgehend von einer Büste mit Konfektionsmaßen zeigen die Autoren noch, wie eine Büste aufgepolstert wird, um den eigenen Maßen näher zu kommen. Das Kapitel schließt mit 10 goldenen Regeln für das Drapieren ab.
Formen der einzelnen Kleidungsstücke
Die folgenden Kapitel behandeln das Formen der Kleidungsstücke. Dazu gehören die Basiskleidungsstücke wie Röcke, Blusen, Kleider, Hosen, Jacken und Mäntel. Vorgestellt werden sowohl Grundformen, als auch Variationen. Weitere Techniken, wie Naht- und Abnäherverlegung, Armausschnitt und Ausschnittvarianten sowie das Formen nach Linienführung fließen in die jeweiligen Kapitel ein. Außerdem werden in eigenen Kapiteln das Formen verschiedener Ärmel und Kragen gezeigt.
Freies Drapieren und Nachbilden
Die Ausführungen über das freie Drapieren fallen sehr knapp aus. Dafür werden aber im Anschluss zehn Kleidungsstücke bekannter Modedesigner, von Worth bis Yamamoto, nachgebildet.
Fazit
Alle Kapitel sind umfangreich bebildert, so dass man schon fast ohne Text versteht, was demonstriert werden soll. Dennoch enthält der Text wichtige Informationen über Ansatz und Vorgehensweise beim Drapieren der Modelle.
Apropos Drapieren: Die Autoren machen einen Unterschied zwischen dem Abbilden/Formen (Moulage) von Kleidung und Drapieren. Während das Abbilden eine Art der Schnitterstellung, also Handwerk ist, ist das Drapieren die Kunstform davon. Dies wird bei der Nachbildung der Designermodelle nachvollziehbar und beeindruckend gezeigt.
Dieses Buch hat inhaltlich meine Erwartungen voll erfüllt: Es werden die Grundlagen und Vorgehensweisen beim Modellieren an der Schneiderbüste gut verständlich in Bild und Wort erklärt. Ich war überrascht, dass es doch so einfach ist, zumindest in der Theorie. Das Modellieren ist eine andere Art der Schnitterstellung, wenngleich ich der Meinung bin, dass die zweidimensionale Schnittentwicklung weiterhin unumgänglich ist. Jedenfalls kommt man auch beim Modellieren an der Büste nicht um grundlegende Kenntnisse herum. Dass das Kapitel über das Drapieren so knapp ausgefallen ist, hatte mich anfänglich enttäuscht, inzwischen ist es für mich aber absolut in Ordnung. Genau an diesem Punkt beginnt die individuelle und kreative Entwicklung. Die vielfältigen Möglichkeiten des kreativen Drapierens kann man an den schrittweisen Nachbildungen der Designerstücke erahnen.
Einen fetten Minuspunkt muss ich dem Buch leider geben: Auch wenn es ein Paperback ist, so hat sich bereits beim ersten Durchblättern die Klebung am Rücken gelöst, mittlerweile ist der vordere Teil des Covers gänzlich ab. Vielleicht habe ich mit diesem Exemplar ja Pech gehabt, aber bei einem Preis von 39,95 Euro kann man schon erwarten, dass die Bindung ein wenig länger hält.
Da ich direkt an der niederländischen Grenze lebe, habe ich das Buch in einer niederländischen Buchhandlung bestellt. Der große Internet-Buchhändler hat es nicht, gebraucht wird die 2. Auflage für satte 450,- Euro angeboten. Man kann es beim Verlag bestellen, wie der Versand nach Deutschland aussieht, kann ich leider nicht sagen. Möglicherweise geht auch eine Bestellung von einer deutschen Buchhandlung aus, da muss man einfach mal nachfragen.
Englische Fassung:
Draping, Art and Craftsmanship in Fashion Design
ISBN: 978-90-89100-87-0
Preis: € 39,95
Niederländische Fassung:
Moulage. Kunst en vakmanschap in modevormgeving
ISBN: 978-90-89100-86-3
Preis: € 39,95
Update Mai 2014: Dieses Buch wird nicht mehr von dem verlinkten Verlag angeboten. Schade.
Hose meets Sofa
In etwa, … oder so ähnlich. Wie auch immer, jedenfalls hatte ich hier seit einiger Zeit ein Reststück Dekostoff liegen, das mit seinem Muster und seiner Webart ein integraler Bestandteil des Gelsenkirchener Barocks gelten kann. Dieses Stück wollte unbedingt eine Hose werden. Manchmal sehe ich einen Stoff und der muss einfach ein bestimmtes Kleidungsstück werden.
Dieses Reststück reichte gerade knapp für eine Hose. Angeboten hat sich der Schnitt für meine perfekte Jeans, also eine 5-Pocket-Sofa-Jeans. Als ob das nicht schon genug wäre, flüsterte mir die Hose leise zu: “Pimp mich! Bretzel mich auf! Ich bin noch lange nicht kitschig genug!“
Und wie es der Zufall so will, lagen hier einige Spiegelchen rum. Material, das ich mir mal besorgt hatte, weil ich gerne etwas mit Shisha machen wollte, bis jetzt aber noch keine konkrete Idee hatte. Shisha ist eine indische Verzierungstechnik, bei der kleine Spiegelchen umstickt auf Stoff genäht werden. Wen diese Technik interessiert, der suche im Internet mal nach „mirror work“.
Diese Spiegelchen habe ich locker auf den unteren Teil der Hosenbeine verteilt. Damit sie nachher leichter aufzusticken sind, habe ich die äußere Seitennaht bis über das Knie wieder aufgetrennt.
Danach konnten die Seitennähte wieder geschlossen werden. Ursprünglich hatte ich geplant, den Saum in einer Kontrastfarbe einzufassen oder einen Umschlag anzunähen. Mir schwebte da ein dunkelroter Samt vor, der aber leider nirgends aufzutreiben war.
Was farblich so einigermaßen passte, war ein changierender Taft und der Rest der schoko-braunen Seide meiner Rokoko-Schnürbrust. Beides war nicht wirklich überzeugend.
Da die Länge der Hose nicht mehr viel für einen Saum her gab, habe ich aus einem farblich passenden, neutralen Stoff Belege zugeschnitten. Diesen Stoff hatte ich bereits in der Innenseite des Bundes und für den Reißverschlussbeleg verwendet, weil der Dekostoff doppellagig einfach zu dick war. Durch einen Beleg fällt nur 1 cm in der Länge weg, ein anständiger Saum hätte mehr benötigt.
Die Hose ist jedenfalls ein Hingucker – allein schon wegen des Musters. Die Spiegel und die Stickerei fallen erst auf den zweiten Blick auf, was ich aber einen sehr schönen und vor allem nachhaltigen Effekt finde. Die Passform habe ich schon vor dem Sticken getestet: Den Schneidersitz kann ich bequem einnehmen, das ist mein ultimatives Okay für eine Hose. Der Stoff selbst ist sehr fest, also eine Sommerhose ist das nicht, aber ein Farbtupfer im Winter.
Rokoko-Chemise Teil 3
Wie bereits angekündigt, habe ich meine erste Chemise kurz vor der Fertigstellung in vorzeitigen Ruhestand geschickt. Nach einigem Suchen habe ich auch ein schönes Leinenstöffchen gefunden, das meinen Vorstellungen deutlich näher kam. Vor allem ist er dichter gewebt, als bei dem ersten Stoff, was das Nähen erheblich vereinfacht.
Die Arbeitsschritte sind die gleichen, wie ich sie schon in Teil 1 und Teil 2 beschrieben hatte, ich verzichte also auf Wiederholungen. Trotzdem werde ich hier ein Stück vorher anfangen, weil ich in einem früheren Schritt abweichend vorgegangen bin.
Die Seitenkeile
Im letzten Artikel hatte ich ja schon angemerkt, bei der neuen Chemise einige Veränderungen vornehmen zu wollen. Zum einen waren es die Ärmel, die mir zu weit waren. Die habe ich schmaler gemacht, so dass ich sie am Saum nicht mehr einkräuseln brauchte.
Die zweite Veränderung habe ich an den Seitenkeilen vorgenommen. Die Seitenkeile sind aus einem schmalen, in der Diagonale geteiltem, Rechteck entstanden. Somit liegt auf einer Seite der Dreiecke der Fadenlauf schräg. Die bisherigen Anleitungen und Vorgehensweisen, die ich gefunden hatte, haben die Seite mit dem geraden Fadenlauf an das Hauptteil der Chemise angenäht und die schrägen Seiten bildeten die Seitennaht. Eine, wie ich finde, nicht besonders gelungene Lösung, weil durch den schrägen Fadenlauf die Seitennaht dazu neigt, sich in die Länge zu ziehen und zu zipfeln.
Meine Überlegung war daher, die Seite mit dem schrägen Fadenlauf an das (gerade verlaufende) Hauptteil der Chemise zu nähen und so die geraden Fadenläufe an der Seitennaht zu haben. Der gerade Fadenlauf kann sich nicht großartig nach unten dehnen und hält zudem den schrägen Fadenlauf vom Dehnen ab. Die Seitennähte sind durch den geraden Fadenlauf auch formstabiler und können nicht mehr zipfeln.
Am besten legt man das Hauptteil der Chemise flach auf den Tisch oder Boden. Darauf legt man den Seitenkeil, mit dem schrägen Fadenlauf auf die Seitenkante des Hauptteils. Die schräge Kante sollte ganz locker aufliegen, weder eingehalten noch gedehnt werden. Wenn die Kanten glatt und gerade aufeinanderliegen, kann man sie feststecken und anschließend nähen.
Jetzt nehme ich nicht für mich in Anspruch, dass ich nach gut 250 Jahren den goldenen Weg zur Chemisenerstellung gefunden habe. Den Menschen damals dürfte das wahrscheinlich auch nicht entgangen sein. Deshalb hatte es mich interessiert, ob tatsächlich so vorgegangen wurde. Die Recherchen im Internet haben ergeben, dass es zum einen nur wenige erhaltene Chemisen aus dieser Zeit gibt, und zum anderen, dass aus den Abbildungen dieser wenigen Exemplare leider nicht zu erkennen ist, wie die Seitenkeile an das Hauptteil genäht wurden. Sollte ich mal nach New York kommen, so werde ich das im Metropolitan Museum of Art eruieren.
Die Auszier am Ausschnitt
Anschließend lege ich die Spitze an den Ausschnittrand und hefte sie fest. Der Tunnel soll ca. 2 cm breit werden, also schneide ich einen Streifen von 4 cm Breite im schrägen Fadenlauf zu. Der Fadenlauf sollte deshalb schräg sein, weil die Rundung an der Kante des Ausschnitts kleiner ist als die Rundung 2 cm tiefer. Der Stoff muss etwas dehnbar sein, um glatt aufzuliegen. Der Streifen wird auf die Spitze gelegt und mit Rückstichen angenäht. Wenn man das von der Rückseite macht, ist der Heftstich von der Spitze eine Orientierung. Ich habe knapp darunter genäht.
Tunnel und Spitze werden nach oben gelegt und alles schön glatt gebügelt. Den einen Zentimeter Nahtzugabe hatte ich bereits vor dem Nähen umgebügelt. Nun ist ein bisschen Fingerspitzengefühl gefragt: der Tunnel wird nach innen gebügelt, dabei sollte der Stoff der Chemise nicht verzogen werden, so dass der Tunnel auf dem geraden Stoff aufliegt. Eventuell muss aber der Tunnel mit dem Bügeleisen ein wenig gedehnt werden, damit es gut passt. Danach wird der Tunnel vorsichtig mit Nadeln festgesteckt und mit einem Saumstich am Ausschnitt befestigt.
Der krönende Abschluss wären jetzt natürlich noch die Engageantes, die Auszier für die Ärmel. Dafür hatte ich auch, passend zum Ausschnitt, Spitze bestellt. Aber grob überschlagen, um eine entsprechende Fülle zu erhalten, habe ich mich in der Menge ein wenig vertan und zu wenig bestellt. Ich schätze mal, dass pro Ärmel mindestens 1,50 m nötig sind, wenn man jeweils zwei Lagen Spitze annimmt.
Sobald ich Nachschub habe, werde ich die Engageantes nachreichen und diese Artikelreihe abschließen.
Bestickte Filzjacke
Es wird kälter. Deshalb wird es Zeit, meinen Vorrat an Filzjacken aufzustocken. Diesmal steht das Nähen ausnahmsweise mal nicht im Vordergrund, sondern das Finish.
Der wunderbare dunkelgraue Wollfilz hat noch eine Jacke für mich hergegeben, die – bis auf die Linienführung, recht schlicht gehalten ist. Der Eyecatcher sollen die Aufschläge an den Ärmeln sein. Anlehnend an die Stickerei aus dem 18. Jahrhundert habe ich ein florales Muster entworfen, das diese Säume zieren soll.
Nachdem die Vorlage fertig war, stand ich vor einem Problem: Wie bekomme ich die Zeichnung auf den Wollfilz? Kreide hält nicht ausreichend und kann auf dem Stoff nicht die Feinheiten wiedergeben. Durchpausen ist auch nicht. Nach einigem Nachdenken und ein bisschen Netzsuche sah ich die einzige gangbare Lösung im „Durchpausen“ mit der Nadel. Ich stecke das Blatt Papier mit dem Motiv auf dem Stoff fest und sticke mit einem hellen, dünnen Garn die Konturen nach. Zum Schluss muss das Papier weggezupft werden. Soweit die Theorie.
Das Motiv muss sowohl einfach als auch spiegelverkehrt vorliegen. Ich habe also meine Vorlage eingescannt und ausgedruckt; Die Vorlage wird im Grafikprogramm einmal gespiegelt und auch ausgedruckt.
Stickmotiv übertragen
Das Rauszupfen des Papiers war allerdings mühsamer als erwartet. Sollte ich so etwas noch einmal machen, werde ich ein dünneres Papier verwenden. Schwierig wird es vor allem an den Stellen, an denen eine kleine Fläche umstickt wurde. Dabei muss man auch höllisch aufpassen, dass der Faden nicht mit rausgezogen wird.
Konturen sticken
Im Vorfeld habe ich an einem Reststück des Wollfilzes verschiedene Stiche zum Füllen der Motive ausprobiert. Am besten ging es mit dem Kettenstich, der mehr auf dem Stoff aufliegt und somit ihn nicht so steif werden lässt. Mit diesem Stich lassen sich auch prima die Konturen sticken. Gestartet bin ich mit den Stengeln und Blättern.
Motive füllen
Ärmel fertig stellen
Die Ärmel können nun geschlossen werden. Ein etwas fummeliges Unterfangen, da die Nahtkanten aufeinander liegen sollen. Mit der Maschine ging es so gerade eben und auch nur gaaaanz vorsichtig und zentimeterweise. Anschließend habe ich den Umschlag mit einem feinen Wollstoff hinterlegt, der die ganzen Fäden verdeckt.
Fertigstellung
Die Knopflöcher an der Jacke habe ich ebenfalls mit der Hand gestickt, als Augenknopflöcher. Ursprünglich wollte ich die Vorgehensweise hier zeigen, aber der dunkle Stoff und die schwarze Knopflochseide haben meine Kamera an den Rand ihrer Möglichkeiten gebracht. Das ist aber ein gutes Thema für einen eigenen Artikel, das ich recht bald aufgreifen werde.
Rokoko-Chemise Teil 2
Nachdem die Ärmel angenäht sind, kann man sich die fertige Chemise schon deutlich besser vorstellen. Das spornt an.
Die Seitenkeile
Die Seitennähte bilden die diagonalen Kanten der Keile. Hier finde ich es schon schwieriger mit dem Nähen, weil sich durch den schrägen Fadenlauf die Nähte sehr schnell verziehen und dehnen. Bevor ich die Kappnähte mache, müssen die Saumkanten angepasst werden. Durch die Diagonale ist ja eine längere Strecke entstanden als bei den geraden Kanten. So bildet die Seitennaht einen Zipfel.
Das Anpassen des Saumes habe ich so gelöst: Zuerst habe ich die geraden Kanten der Keile ausgemessen und diese Strecke auf die Seitennaht übertragen. Würde man mit einer Linie die geraden Kanten der Keile miteinander verbinden, so ist die Länge der Seitennaht kürzer als die gemessene Länge, der Saum wäre an der Seite zu kurz. Also habe ich an der gemessenen Länge eine waagerechte Linie auf die Saumkante gezogen, und zwar so, das nur einen minimale Ecke entsteht. Es sieht zwar jetzt rund aus, ist es aber nicht wirklich.
Man kann natürlich auch die gemessene Strecke, mit der Keilspitze als Drehpunkt, Stück für Stück am Saum anzeichnen. Das ist bei gleichem Ergebnis mehr Arbeit. Da der Saum sowieso im schrägen Fadenlauf liegt, bleibt das Umschlagen der Saumkante eine fummelige Angelegenheit, egal, wie man die Kante nun anpasst.
Der Ausschnitt
Selbst bei sorgfältigem Zurechtziehen, so ganz gerade bekommt man den Sitz der Chemise unter der Schnürbrust nicht hin. Die angezeichneten Linien müssen nachher angeglichen und begradigt werden. Da der Stoff nicht besonders dicht gewebt ist, verzieht sich ganz schnell irgendeine Ecke. Weil das echt nervig war, habe ich nach einer anderen Lösung gesucht: Es liegt ja auf der Hand, wenn ich den Ausschnitt anzeichne, entspricht das auch dem Ausschnitt der Schnürbrust. Entscheidend sind dabei zwei Punkte: die Tiefe des Ausschnitts und die Lage der Träger auf der Schulter. Faltet man die Chemise in der vorderen Mitte, so kann man die Schnürbrust an diese zwei Punkte anlegen und die Kante des Ausschnitts nachzeichnen. Die Träger der Schnürbrust müssen so gelegt werden, dass sie den Punkt an der Schulter treffen. Das Ganze macht man auch mit der hinteren Seite. Das klappt hervorragend und dieses elendige Gefummel mit dem Angleichen der Linien wird völlig überflüssig.
Das ganze habe ich über Nacht liegen lassen, weil ich irgendwie nicht wirklich zufrieden war. Letzten Endes habe ich mich entschieden, mir einen neuen Stoff zu besorgen, einen der dichter gewebt ist. Die Erfahrung am Saum hat gezeigt, dass bei schrägem Fadenlauf und locker gewebtem Stoff Rundung äußerst schwierig zu nähen sind. Der Ausschnitt ist praktisch eine einzige Rundung. Ich fände es zu schade, die teure Spitze anzunähen und nachher einen blöden Ausschnitt zu haben. Dann müsste die Spitze wieder rausgetrennt werden, und zwar möglichst ohne Schaden, und eine neue Chemise her.
Mir blutet zwar das Herz wegen der vielen Arbeit, aber es ist besser jetzt neu anzufangen (und im Hintergrund grüßt außerdem noch der Perfektionismus ). Immerhin, die Maße habe ich alle, die Chemise sitzt soweit ganz gut. Und ich könnte einige Änderungen vornehmen, die ich besser fände, wie z.B. schmalere Ärmel zu machen. Es bleibt jedoch weiterhin das Problem, im Internet einen passenden Stoff zu finden.