So, nach längerer Pause, bedingt durch den Umzug, geht’s nun weiter mit dem Sakko. Ich beginne mal da, wo ich beim letzten Artikel geendet hatte: bei den Schulterpolstern.
Schulterpolster
Bei meinem Stoffhändler erstand ich letztens ein sehr festes Vlies, das sich zur Herstellung von Schulterpolstern hervorragend eignet. Auf dieser Seite fand ich eine schöne Anleitung zur Erstellung eines Schulterpolster-Schnitts. Anders als die Autorin, habe ich die „Schichten“ jedoch in einzelnen Stücken aufgebaut: Von dem Schnitt habe ich eine Kopie erstellt und an der runden Seite ca. 1 cm weggenommen, davon wiederum eine Kopie erstellt und wieder 1 cm verschmälert.
Das Ganze habe ich insgesamt fünfmal gemacht. Tatsächlich habe ich aber nur vier Schichten gebraucht, das hängt eben davon ab, wie dick die Schulterpolster letztendlich werden sollen. Bei allen Teilen ist die Schulterlinie am Ärmelansatz und zum Hals hin markiert; die Teile werden an dem Ärmelansatz aufeinander, an der Schulter in einer Linie gelegt. Die einzelnen Schichten habe ich aufeinander pikiert – eine schöne Vorabübung für die Rosshaareinlage. Die Polster sind nur knapp 1 cm hoch, das reicht mir aber, um die Schulter ausreichend zu betonen. Für die Rundung habe ich es anfänglich, wie im Blogartikel vorgeschlagen, mit einem zusammengerollten Handtuch probiert. Das war aber Mist. Zum Schluss legte ich mir das Polster auf den Oberschenkel und habe es an der Hose festgesteckt. Etwas unkonventionell, aber danach ging es ganz gut.
Schnitt übertragen
Nach der Korrektur des Schnittes versuchte ich mal die Übertragungsmethode, wie auf dem verlinkten Video zu sehen ist, d.h. den Schnitt auf den Stoff legen, beschweren und mit Kreide um den Schnitt herumzeichnen. Es klappte erstaunlich gut; ehrlich gesagt hatte ich befürchtet, dass sich der Stoff beim Anzeichnen verzieht. Zusätzlich habe ich noch alle Passzeichen, die Hauptlinien, Abnäher, Reverstasche, die vordere Mitte und den Bruch des Revers eingezeichnet. Anschließend kommen noch die Nahtzugaben hinzu.
Eine schematische Darstellung und Erklärung des Vorgangs findet sich auf dieser Seite. Die untere Seite sieht, im Gegensatz zur oberen, schön sauber aus.
Bevor ich mit der Einlage weitermachen kann, müssen die vorderen Abnäher geschlossen werden. Die Spitzen sind mit einem Streifen Stoff hinterlegt – so lässt sich zum einen die Spitze besser nähen und sieht zum anderen nach dem Umbügeln besser aus. Nach dem Umbügeln der Abnäher muss das Vorderteil „dressiert“ werden. Es muss jetzt nicht Männchen machen oder über ein Stöckchen springen, sondern wird in Form gebügelt. Dafür werden bestimmte Abschnitte mit Dampf gedehnt oder eingehalten. Dem Stoff wird so eine gewisse Form gegeben, so dass er besser am Körper liegt, bzw. fällt.
Die Rosshaareinlage
Bevor ich nun an dem Vorderteil weiterarbeite, mache ich erstmal den Kragen – sozusagen als Übungsstück. Der Unterkragen wird ebenfalls mit Rosshaareinlage verstärkt.
Unterkragen pikieren
Wenn der Steg soweit fertig ist, kommt die Handarbeit in Form von Pikieren. Mit dem Pikieren wird die Einlage blind auf den Oberstoff genäht. Bis jetzt hatte ich das noch nie gemacht und musste mich an Bildern orientieren. Insofern sind die Stiche, wie am Kragen zu sehen ist, nicht besonders formschön; es hält aber und auf der Oberseite ist so gut wie nichts zu sehen. Und es hat mir ein Gefühl dafür gegeben, wie es gemacht werden muss.
Nach dem Pikieren kann auch der Kragen zugeschnitten werden, was ja nun nicht mehr besonders schwierig ist. Der Kragensteg wird umgebügelt und der gesamte Kragen in Form gebracht. Dafür wird er einige Male mit umgeklapptem Kragensteg am Hals der Schneiderpuppe gedehnt bis er sich der Form des Halses anschmiegt.
Am Revers klappt das Pikieren schon deutlich besser – Übung macht eben doch den Meister, auch wenn die Stiche immer noch nicht meisterhaft sind. Wird schon noch. Also, beide Revers sind pikiert. Im Schulter- und Armlochbereich kommt noch eine zusätzliche Verstärkung mit einem festen Vlies. Es ist übrigens dasselbe wie bei der Herstellung der Schulterpolster.
Auf ein sogenanntes Plack habe ich verzichtet, da bei dem dünnen Oberstoff eine weitere Schicht darunter zuviel gewesen wären. Das Sakko soll schon noch bequem sein und nicht einer Ritterrüstung ähneln.
Das ist vorerst das grobe Innenleben des Sakkos. Als nächstes muss aus den Einzelteilen überhaupt eine Art Sakko werden, zumindest etwas, das mal anprobiert werden kann.
Hallo Frau Vaessen,
Es macht sehr viel Spaß Ihren Blog zu lesen. Jetzt stellt sich mir eine Frage: Wie haben Sie den Schnitt mit der Rosshaareinlage konstruiert?
Ich werde mir die Tage auch ein Sakko nähen und Ihre Anleitung ist definitiv die beste. Nur das mit dem veränderten Schnitt bei der Einlage habe ich nicht ganz verstanden.
Ich würde mich freuen von Ihnen zu hören.
Vielen Dank
Liebe Grüße
Safak
Hallo Safak, erstmal vielen Dank für das Lob.
Die Konstruktion des Plack würde schon ein neues Tutorial füllen und ich werde das mal als Anregung im Hinterkopf behalten. Wenn Sie Englisch können, empfehle ich das Forum Cutter and Tailor. Es ist eine wahre Goldgrube für die Herrenschneiderei, zu der es im Netz nicht sooo wahnsinnig viel gibt. Dort gibt auch sehr viele Anleitungen aus deutschen Fachbüchern, die zwar nicht ganz aktuell sind, aber das Prinzip ist eigentlich gleich geblieben. Ich wünsche ihnen viel Erfolg beim Sakko und hoffe, dass Sie im Forum fündig werden.
Es gibt kaum noch Vorzeigeschneider die das Handwerk richtig gelernt haben,
deshalb schaut mal bei mir rein, vielleicht hilft es weiter.
Schneider ist kein leichter Beruf, seit 70 Jahren bin ich dabei und die Ergebnisse
meines Wirkens könnt ihr sehen.
Viel Spaß mit Nadel und Faden.
Grüße Günther Biank
http://www.atelierfuertheaterkostueme.de
http://www.dachauer-trachten.de
Sehr geehrter Herr Biank,
70 Jahre im Beruf – das ist mehr als nur eine Tätigkeit! Um so bedauerlicher ist es, dass mit den Wenigen, die soviel Erfahrung haben, auch viel Wissen verloren geht, wenn sie sich aus dem aktiven Beruf zurückziehen. Ich habe mir erlaubt Ihren Kommentar zu editieren und die Links mit Ihren Werken allgemein zugänglich zu machen. Handwerk lebt weiter, wenn Wissen weitergegeben wird. Und selbst im digitalen Zeitalter ist es teilweise sehr, sehr schwer an bestimmtes Wissen heranzukommen. Es wäre sehr schön, wenn auch Sie, neben Ihren Werken, einen Teil Ihres Wissens verfügbar machen könnten.